Der Dritte Zwilling.
antun muß, aber es geht nicht anders. »Vor einer Woche bin ich in ein brennendes Gebäude eingedrungen, um dich zu suchen.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Damals hatte ich Angst.«
Lisa schwieg. Nach einer langen Pause sagte sie: »Du hast recht. Okay, ich helfe dir.«
Jeannie unterdrückte einen Triumphschrei. »Wie lange brauchst du?«
»Eine Viertelstunde.«
»Ich warte vor dem Eingang auf dich.«
Jeannie legte den Hörer auf, rannte ins Bad, ließ den Morgenrock auf die Fliesen fallen und schlüpfte in schwarze Jeans und ein türkisfarbenes T-Shirt. Dann warf sie sich eine schwarze Levi’s-Jacke über und rannte die Treppen hinunter.
Es war Mitternacht, als sie das Haus verließ.
SONNTAG
Kapitel 51
Als Jeannie die Universität erreichte, war Lisa noch nicht da. Sie stellte ihren Wagen auf dem Besucherparkplatz ab, weil sie nicht wollte, daß das auffällige Gefährt vor der Klapsmühle gesehen wurde, und überquerte den dunklen, menschenleeren Campus zu Fuß. Vor dem Eingang wartete sie ungeduldig auf Lisa und ärgerte sich, daß sie sich unterwegs nicht noch etwas zu essen besorgt hatte. Den ganzen Tag über hatte sie nichts in den Magen bekommen.
Sehnsüchtig dachte sie an Cheeseburger mit Pommes frites, Pizza mit Pepperoni, Apfelstrudel mit Vanilleeis, ja sogar an einen großen Salatteller mit viel Knoblauch. Endlich fuhr Lisa in ihrem flotten weißen Honda vor.
Sie stieg aus und ergriff Jeannies Hände. »Ich schäme mich«, sagte sie. »Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen, daß du mich erst daran erinnern mußtest, was du als Freundin für mich getan hast.«
»Ich kann dich aber verstehen.«
»Es tut mir leid.«
Jeannie umarmte sie.
Sie gingen hinein und knipsten die Lampen im Labor an. Jeannie stellte die Kaffeemaschine ein, während Lisa ihren Computer lud. Irgendwie war es unheimlich - mitten in der Nacht im Labor. Die anti septische weiße Ausstattung, die gleißenden Lampen und die stummen Apparate um sie herum erinnerten Jeannie an ein Leichenschauhaus.
Sie rechnete durchaus damit, daß über kurz oder lang der Sicherheitsdienst aufkreuzte und nach dem Rechten sah. Nach Jeannies Einbruch behielten sie die Klapsmühle gewiß im Auge, und das Licht im Labor konnte ihnen nicht entgehen. Andererseits kam es bei Wissen schaftlern immer wieder vor, daß sie zu ungewöhnlichen Zeiten arbeiteten, so daß sich von daher keine unmittelbare Gefahr ergab - es sei denn, die Wache erkannte Jeannie von gestern abend her wieder.
»Wenn ein Nachtwächter vorbeikommt, um uns zu überprüfen, verstecke ich mich im Schrank mit dem Büromaterial«, sagte sie zu Lisa. »Kann ja sein, der Typ weiß, daß ich hier offiziell nichts mehr zu suchen habe.«
»Hoffentlich hören wir es rechtzeitig, wenn jemand kommt«, sagte Lisa nervös.
»Wir sollten eine Art Alarmsystem haben.« Jeannie konnte es kaum abwarten, die Suche nach den Klonen zu beginnen, aber sie bezähmte ihre Ungeduld.
Nachdenklich sah sie sich im Labor um. Ihr Blick fiel auf einen kleinen Blumenstrauß auf Lisas Schreibtisch. »Wie sehr hängst du an dieser Vase?« fragte sie.
Lisa zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie im Supermarkt gekauft. Da kann ich mir jederzeit eine neue besorgen.«
Jeannie warf die Blumen in den Abfallkübel, schüttete das Wasser in den Ausguß und nahm das Buch Identical Twins Reared Apart von Susan L. Farber vom Regal. Dann ging sie zu den Schwingtüren am Ende des Korridors, die zum Treppenhaus hinausführten, zog sie ein kleines Stück einwärts, schob das Buch wie einen Keil dazwischen und plazierte die Vase oben auf den kleinen
Zwischenraum zwischen linkem und rechtem Flügel. Jetzt konnte kein Mensch den Korridor betreten, ohne daß die Vase herunterfiel und auf dem Boden zerschellte.
Lisa, die ihr dabei zusah, fragte: »Und was soll ich sagen, wenn man mich fragt, warum ich das getan habe?
»Du willst nicht, daß sich jemand hier einschleicht«, erwiderte Jeannie.
Lisa nickte zufrieden. »Weiß Gott, ich habe ja auch allen Grund zum Verfolgungswahn.«
»An die Arbeit!« sagte Jeannie.
Sie gingen wieder ins Labor, ließen aber die Tür offenstehen, um ja nicht das Klirren des Glases zu überhören. Jeannie steckte die wertvolle Diskette ins Laufwerk von Lisas Computer und druckte die Ergebnisse der Suche im Pentagon aus.
Rasch fand sie die Namen der acht Babys, deren Elektrokardiogramme einander so ähnelten, als stammten sie alle von ein und derselben Person. Acht kleine Herzen, die
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