Der Dritte Zwilling.
machen. Sie sind der erste, den ich auf diesem Wege ermittelt habe. Um ehrlich zu sein - daß Sie nicht wissen, daß Sie einen Zwilling haben, ist ein deutlicher Beweis für die Wirksamkeit meiner Methode. Nur habe ich dabei nicht bedacht, daß wir die Leute in diesem Fall mit einer völlig unerwarteten und schockierenden Neuigkeit konfrontieren müssen.«
»Ich habe mir immer einen Bruder gewünscht«, sagte Steve. Er war ein Einzelkind; seine Eltern waren Ende Dreißig gewesen, als er geboren wurde. »Ist es ein Bruder?«
»Ja. Ein eineiiger Zwilling.«
»Ich habe einen Zwillingsbruder«, flüsterte Steve. »Weshalb habe ich nie davon erfahren?«
Jeannie blickte beschämt drein.
»Moment, ich komme schon drauf«, sagte Steve. »Ich könnte adoptiert worden sein.«
Sie nickte.
Der Gedanke, daß Mom und Dad vielleicht gar nicht seine Eltern sein könnten, war noch schockierender als die Eröffnung, einen Zwillingsbruder zu haben.
»Oder mein Bruder wurde adoptiert«, sagte Steve. »Ja.«
»Oder beide, wie Benny und Arnold.«
»Oder beide«, wiederholte Jeannie ernst und blickte Steve aus ihren dunklen Augen durchdringend an. Trotz des Aufruhrs in seinem Inneren mußte Steve wieder einmal daran denken, wie schön diese Frau war. Er wünschte sich, sie würde ihn für immer so anschauen.
»Nach meiner Erfahrung«, sagte Jeannie, »weiß jemand für gewöhnlich, ob er adoptiert wurde oder nicht, selbst wenn der oder dem Betreffenden nicht bekannt ist, ob er einen Zwilling hat. Trotzdem hätte ich wissen müssen, daß der Fall bei Ihnen anders liegt.«
Steve sagte mit schmerzerfüllter Stimme: »Ich kann einfach nicht glauben, daß meine Eltern es mir verschwiegen hätten, wenn ich ein Adoptivkind wäre. Das paßt nicht zu ihnen.«
»Erzählen Sie mir von Ihren Eltern.«
Er wußte, daß sie ihm helfen wollte, den Schock dadurch zu überwinden, indem sie ihn zum Reden aufforderte. Aber das war in Ordnung. Steve versuchte, sein aufgewühltes Inneres zu beruhigen. »Meine Mutter ist eine Art Berühmtheit. Sie haben sicher schon von ihr gehört. Lorraine Logan.«
»Die Briefkastentante?«
Steve lächelte. »Ja. Ihre Artikel erscheinen in vierhundert Zeitungen. Sie hat sechs Bestseller geschrieben – Ratgeber für Frauen in Sachen Recht, Gesundheit und dergleichen. Sie ist reich und berühmt, und sie hat es verdient.«
»Warum sagen Sie das?«
»Weil ihr wirklich etwas an den Leuten liegt, die ihr schreiben. Sie beantwortet Tausende von Briefen. Wissen Sie, im Grunde möchten die Leute von meiner Mutter, daß sie mit einem Zauberstab wedelt -daß sie eine unerwünschte Schwangerschaft verschwinden läßt oder daß sie dafür sorgt, daß die Kinder von Drogen loskommen, oder daß sie unausstehliche Kerle in liebevolle, besorgte Ehemänner verwandelt. Allen Ratsuchenden gibt Mutter genau dieTips, die sie brauchen. Sie schreibt immer, daß man so entscheiden soll, wie es einem das Gefühl sagt, und daß man sich zu nichts zwingen lassen darf. Ich finde, das ist eine gute Einstellung.«
»Und Ihr Vater?«
»Mein Dad ist beim Militär. Er ist Colonel. Arbeitet im Pentagon. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Er schreibt Reden für Generäle und so.«
»Ist er ein herrischer Mensch?«
Steve lächelte. »Er hat ein ausgeprägtes Pflichtgefühl. Aber er ist kein Kasernenhoftyp, wenn Sie das meinen. Er hatte in Asien einige Fronteinsätze, bevor ich geboren wurde, aber es ist nichts davon hängengeblieben.«
»Hatten Sie als Kind Disziplin nötig?«
Steve lachte. »In der Schule war ich der Schlimmste von allen. Hatte immer Ärger.«
»Weshalb?«
»Weil ich stets gegen die Vorschriften verstoßen habe. Bin über die Flure gerannt. Habe rote Strümpfe getragen. Habe während des Unterrichts Kaugummi gekaut. Habe Wendy Parker hinter dem Regal mit den Biologiebüchern in der Schulbibliothek geküßt, als ich dreizehn war.«
»Warum?«
»Weil sie so hübsch war.«
Wieder lachte Jeannie. »Nein, ich meinte, weshalb haben Sie gegen die Vorschriften verstoßen?«
Steve schüttelte den Kopf. »Ich konnte einfach nicht gehorchen.
Ich habe immer nur getan, was ich wollte. Die Vorschriften kamen mir blöd vor, und es wurde mir langweilig. Normalerweise hätte man mich von der Schule geworfen, aber ich hatte immer gute Noten, und meist war ich Kapitän irgendeiner Schulmannschaft: Football, Baseball, Basketball, Leichtathletik. Manchmal verstehe ich mich selbst nicht. Würden Sie sagen, ich habe ‘ne
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