Der Dritte Zwilling.
erregte Steve. Er wandte den Blick von Jeannie ab, aus Furcht, seine sexuelle Begierde könnte sich auf seinem Gesicht widerspiegeln. Doch kaum schaute Steve nach vorn, stürmten die beängstigenden Gedanken wieder auf ihn ein. Was sie ihm da erzählt hatte, war furchteinflößend. Er, Steve, besaß dieselbe DNS wie ein Mörder. Was bedeutete das für ihn?
Hinter Steve wurde dieTür geöffnet, und Jeannie blickte auf. »Hi, Berry«, sagte sie. »Steve, darf ich Ihnen Professor Berrington Jones vorstellen, den Leiter des Zwillingsforschungsprojekts hier an der JFU ?« Der Professor war ein kleiner Mann Ende Fünfzig, gutaussehend, mit glattem silbergrauem Haar, sehr gepflegt, wie aus dem Ei gepellt. Er trug einen eleganten Anzug aus Irish Tweed mit grauem Karomuster und eine rote, weiß gepunktete Fliege. Steve hatte ihn einige Male im Fernsehen erlebt; Berrington hatte sich darüber ausgelassen, daß Amerika vor die Hunde ginge. Steve gefielen die Ansichten dieses Mannes nicht, doch er war zur Höflichkeit erzogen worden; deshalb stand er auf und hielt dem Professor die Hand hin.
Berrington Jones zuckte zusammen, als hätte er ein Gespenst gesehen. »Mein Gott!« stieß er hervor, und sein Gesicht wurde bleich.
»Berry!« sagte Jeannie. »Was ist los?«
»Hab’ ich irgendwas angestellt?« fragte Steve.
Der Professor schwieg für einen Augenblick, rang um Fassung; dann riß er sich zusammen. »Es ist nichts, tut mir leid«, sagte er, schien aber noch immer bis ins Mark erschüttert. »Es ist nur, daß ich gerade … an eine Sache denken mußte, die … ich vergessen hatte … einen dummen Fehler. Bitte, entschuldigen Sie mich.« Er ging zur Tür und murmelte immer noch: »Tut mir sehr leid, entschuldigen Sie.«
Er verließ das Zimmer.
Steve schaute Jeannie an.
Sie zuckte die Achseln und breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus.
»Ich weiß auch nicht, was in ihn gefahren ist«, sagte sie.
Kapitel 6
Berrington saß an seinem Schreibtisch und atmete schwer. Er hatte ein Eckbüro, das ansonsten jedoch spartanisch eingerichtet war: Fußboden mit Kunststofffliesen, weiße Wände, nüchtern-zweckmäßige Aktenschränke, billige Bücherregale. Von seilen der Lehrkräfte erwartete man keine üppig ausgestatteten Büroräume. Der Bildschirmschoner auf Berringtons Computer zeigte eine sich langsam drehende DNS-Spirale in der berühmten Doppelhelix-Gestalt. Auf dem Schreibtisch standen Fotos, auf denen Berrington zusammen mit Geraldo Rivera, Newt Gingrich und Rush Limbaugh zu sehen war.
Das Fenster gewährte den Blick auf die Sporthalle, die wegen des Brandes am gestrigen Tag geschlossen war. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf dem Tennisplatz, spielten trotz der Hitze zwei junge Männer ein Match.
Berrington rieb sich die Augen. »Verdammt, verdammt, verdammt«, fluchte er inbrünstig.
Er selbst hatte Jeannie Ferrami dazu bewegt, an die Jones Falls zu kommen. Ihr Artikel über die Vererbbarkeit krimineller Anlagen hatte wissenschaftliches Neuland eröffnet, indem sie sich auf die Komponenten der kriminellen Persönlichkeit konzentriert hatte. Diese Frage war von grundlegender Bedeutung für das Genetico-Projekt. Berrington wollte, daß Ferrami ihre Forschungen unter seiner Federführung fortsetzte. Er hatte die Jones Falls dazu bewegt, ihr einen Job zu geben, und dafür gesorgt, daß ihre Forschungsarbeiten durch ein Stipendium der Genetico finanziert wurden.
Mit seiner Hilfe konnte Ferrami große Dinge tun, und daß sie aus ärmlichen Verhältnissen stammte, machte ihre Leistungen um so eindrucksvoller. Schon die ersten vier Wochen, die sie an der Jones Falls arbeitete, hatten gezeigt, daß Berringtons Einschätzung richtig gewesen war. Jeannie Ferrami hatte sich als Volltreffer erwiesen, und ihr Projekt machte rasche Fortschritte. Die meisten Leute mochten sie - wenngleich sie knallhart und aggressiv sein konnte: Ein Labortechniker mit Pferdeschwanz, der geglaubt hatte, mit schlampiger Arbeit durchzukommen, hatte sich an Ferramis zweitem Arbeitstag einen scharfen Verweis eingehandelt.
Berrington war geradezu fasziniert von dieser Frau. Sie war körperlich ebenso außergewöhnlich wie intellektuell. Er fühlte sich hin und her gerissen zwischen der Notwendigkeit, sie auf väterliche Weise zu ermutigen und anzuleiten, und einem schier übermächtigen Verlangen, sie zu verführen. Und jetzt das!
Als Berrington wieder zu Atem gekommen war, nahm er den Hörer von der Gabel und rief
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