Der Dritte Zwilling.
Preston Barck an. Preston war sein ältester Freund; sie hatten sich in den sechziger Jahren am renommierten MIT kennengelernt, dem Massachusetts Institute of Technology, als Berrington an seiner Doktorarbeit in Psychologie schrieb und Preston ein brillanter junger Embryologe gewesen war.
Mit ihren kurzen Frisuren und den Tweedanzügen hatte man sie in jenen wilden, freizügigen Zeiten als Außenseiter betrachtet, als seltsame Figuren. Barck und Berrington erkannten rasch, daß sie auf vielen Gebieten die gleichen Ansichten vertraten: Modern Jazz war fauler Zauber, Marihuana war der erste Schritt auf dem Weg zum Heroin, und der einzige aufrechte Politiker in den Vereinigten Staaten war Barry Goldwater. Die Freundschaft der beiden Männer war beständiger gewesen als ihre Ehen. Berrington fragte sich schon längst nicht mehr, ob er Preston eigentlich mochte oder nicht; er war einfach da, wie Kanada.
Zur Zeit hielt Preston sich in der Genetico-Zentrale auf, einer Ansammlung niedriger, schmucker Gebäude oberhalb eines Golfplatzes im Baltimore County nördlich der Stadt. Prestons Sekretärin erklärte, ihr Chef sei in einer Besprechung, doch Berrington verlangte, trotzdem durchgestellt zu werden.
»Guten Morgen, Berry. Was liegt an?«
»Wer ist bei dir?«
»Lee Ho, einer der Chefbuchhalter von Landsmann. Wir sind gerade dabei, die letzten Einzelheiten des Abschlußberichts von Genetico durchzugehen.«
»Schaff den Kerl raus, aber fix!«
Prestons Stimme wurde leiser, als er den Kopf zur Seite drehte, weg vom Hörer.
»Tut mir leid, Lee, aber diese Sache wird ein bißchen länger dauern. Ich komme später zu Ihnen.« Eine Pause trat ein; dann redete Preston wieder in die Sprechmuschel. Seine Stimme klang nun gereizt. »Ich habe soeben Michael Madigans rechte Hand aus dem Zimmer geworfen. Madigan ist der Generaldirektor von Landsmann, falls du es vergessen hast. Wenn du immer noch so wild auf die Übernahme bist wie gestern abend, sollten wir lieber nicht …«
Berrington riß der Geduldsfaden. »Steve Logan ist hier«, unterbrach er den Freund.
Für einen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann: »An der Jones Falls?«
»Genau hier, im Institut für Psychologie.«
Augenblicklich hatte Preston seinen Besucher vergessen. »Du lieber Himmel, wie kommt das?«
»Er ist eine der Versuchspersonen und wird im Labor verschiedenen Tests unterzogen.«
Prestons Stimme hob sich um eine Oktave. »Wie konnte das geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin ihm vor fünf Minuten begegnet. Du kannst dir meine Überraschung wohl vorstellen.«
»Und du hast ihn wirklich wiedererkannt?«
»Natürlich habe ich ihn ›wiedererkannt‹.«
»Weshalb wird er den Versuchen unterzogen?«
»Im Rahmen unseres Forschungsprogramms über Zwillinge.«
»Zwillinge?« rief Preston. »Zwillinge? Wer ist denn der andere verdammte Zwilling?«
»Das weiß ich noch nicht. Hör mal, Preston, so etwas mußte früher oder später passieren.«
»Aber ausgerechnet jetzt! Wir müssen das Geschäft mit Landsmann abblasen.«
»Zum Teufel, nein! Ich werde nicht zulassen, daß du diesen Zwischenfall zum Anlaß nimmst, die Übernahme zu torpedieren.« Mittlerweile wünschte sich Berrington, er hätte gar nicht erst angerufen. Doch er hatte mit jemandem reden, seinen Schock mit jemandem teilen müssen. Außerdem konnte Preston ein scharfsinniger Stratege sein. »Wir müssen lediglich eine Möglichkeit finden, die Situation in den Griff zu bekommen.«
»Wer hat Steve Logan an die Universität geholt?«
»Die neue Kraft, die ich vor kurzem eingestellt habe. Dr. Ferrami.«
»Der Bursche, der diese phantastische Abhandlung über Kriminalität geschrieben hat?«
»Genau. Nur daß der Bursche eine Frau ist. Eine sehr attraktive Frau, um genau zu sein …«
»Selbst wenn sie wie Sharon Stone aussieht, wir haben jetzt andere Sorgen …«
»Ich nehme an, Ferrami hat Steve für die Versuche ausgewählt. Sie war mit dem Jungen zusammen, als ich ihn getroffen habe. Ich werde die Sache nachprüfen.«
»Das ist der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit, Berry.« Preston beruhigte sich und dachte bereits über die Lösung nach, nicht über das Problem. »Finde heraus, wie der Junge ins Forschungsprogramm gekommen ist. Dann können wir uns daranmachen und abschätzen, wie groß die Gefahr für uns ist.«
»Ich werde Ferrami umgehend zu mir bestellen.«
»Wenn du fertig bist, ruf mich sofort an, ja?«
»Natürlich.«
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