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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Wimbledon gespielt. Trotz seiner Glatze und der fünfzig Jahre war Jack immer noch fit und hatte nichts von seiner alten Technik und Ballbeherrschung eingebüßt. Jeannie hatte es nie bis
    Wimbledon geschafft. Der Höhepunkt ihrer Karriere war die Zugehörigkeit zur amerikanischen Olympiamannschaft gewesen, als sie noch Studentin war. Doch sie war stärker und schneller als Jack.
    Sie spielten auf dem Hartplatz, der sich auf dem Campus der Jones Falls befand.
    Jeannie und Jack waren einander ebenbürtig, und das Spiel lockte eine kleine Zuschauermenge an. Es gab keine Kleiderordnung, doch aus Gewohnheit spielte Jeannie stets in gestärkten weißen Shorts und weißem Polohemd. Sie hatte langes dunkles Haar - nicht seidig und glatt wie Pattys, sondern gelockt und widerspenstig; deshalb hatte sie es unter eine Schirmmütze gesteckt.
    Jeannie hatte einen knallharten Aufschlag, und ihre beidhändige, cross geschlagene Rückhand war tödlich. Jack konnte gegen den Aufschlag nicht viel ausrichten, doch nach den ersten Spielen stellte er sich so auf Jeannie ein, daß sie ihren Rückhand-Schmetterball nur noch selten anbringen konnte. Jack spielte rationell, teilte sich seine Kräfte ein und ließ Jeannie Fehler machen. Sie spielte zu aggressiv, machte beim Aufschlag Doppelfehler und rückte zu früh ans Netz vor. Jeannie war sicher, daß sie Jack an einem normalen Tag hätte schlagen können, doch sie konnte sich heute nicht voll konzentrieren und schaffte es nicht, seine Schläge vorauszuberechnen. Beide gewannen je einen Satz; im dritten stand es schließlich 5 zu 4 für Jack, so daß Jeannie ihren Aufschlag durchbringen mußte, um weiter im Match zu bleiben.
    Beim entscheidenden Spiel gab es zweimal Einstand; dann machte Jack einen Punkt und hatte Matchball. Jeannies erster Aufschlag ging ins Netz, und vom Publikum drang ein vernehmliches Stöhnen herüber. Statt eines normalen, langsameren zweiten Aufschlags schlug sie alle Vorsicht in den Wind und hämmerte den Ball übers Netz, als wäre es das erste Service. Jack bekam gerade noch den Schläger an den Ball und retournierte auf Jeannies Rückhand. Sie schlug einen Schmetterball und stürmte vor ans Netz. Doch Jack war nicht so aus dem Gleichgewicht, wie er vorgegeben hatte, und schlug den Ball als perfekten Lob zurück, der in hohem Bogen über Jeannies Kopf hinwegsegelte und auf der Linie landete. Es war der Siegesschlag.
    Jeannie stand da und schaute auf den Ball, die Hände in die Hüften gestemmt, wütend auf sich selbst. Obwohl sie seit Jahren kein ernsthaftes Match mehr gespielt hatte - den unbeugsamen Siegeswillen, der ihr das Verlieren schwermachte, hatte sie sich bewahrt. Doch sie kämpfte ihren Zorn nieder und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie drehte sich zu Jack um. »Ein Superschlag!« rief sie, ging zum Netz und schüttelte dem Sieger die Hand. Von den Zuschauern kam spontaner Applaus.
    Ein junger Mann steuerte auf Jeannie zu. »He, das war ein tolles Spiel!« sagte er und lächelte breit.
    Jeannie musterte ihn mit einem raschen Blick. Der Mann sah blendend aus: hochgewachsen und athletisch, mit gewelltem, kurzgeschnittenem blondem Haar und schönen blauen Augen, und er schien sich seiner Wirkung auf Frauen durchaus bewußt zu sein.
    Doch Jeannie war nicht in Stimmung. »Danke«, sagte sie kurz angebunden.
    Wieder lächelte er – ein selbstsicheres, lässiges Lächeln, das besagte: Die meisten Mädchen sind Feuer und Flamme, wenn ich mit ihnen rede, und mag es ein noch so belangloses Geplauder sein. »Ich spiele selbst ein bißchen Tennis, wissen Sie, und da hab’ ich mir gedacht …»
    »Wenn Sie nur ein bißchen Tennis spielen, sind Sie wahrscheinlich nicht in meiner Liga«, erwiderte Jeannie und huschte an ihm vorbei.
    In ihrem Rücken hörte sie seine freundliche Stimme: »Dann darf ich also davon ausgehen, daß ein romantisches Abendessen, gefolgt von einer Nacht voller Leidenschaft, nicht in Frage kommt?«
    Wider Willen mußte Jeannie lächeln, und sei es nur seiner Beharrlichkeit wegen.
    Außerdem war sie gröber als nötig gewesen. Sie drehte den Kopf. Ohne stehenzubleiben, sagte sie über die Schulter: »Stimmt. Trotzdem, danke für das Angebot.«
    Sie verließ den Tennisplatz und schlug den Weg zu den Umkleideräumen ein. Sie fragte sich, was Mom jetzt wohl tun mochte. Inzwischen mußte sie ihr Abendessen bekommen haben; es war halb acht, und in Heimen bekamen die Insassen ihr Essen stets früh. Vielleicht saß Mom jetzt im

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