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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Bank und nehme ein Darlehen auf. Dann bringen wir Mom in ein schöneres Heim, und ich zahle was zu ihrem Pflegegeld dazu.«
    »Aber wie willst du das jemals zurückzahlen?« fragte die stets praktisch denkende Patty.
    »Indem ich zur außerordentlichen Professorin befördert werde und später eine volle Professur bekomme; dann werde ich den Auftrag erhalten, ein Lehrbuch zu schreiben, und drei Firmenkonsortien werden mich als Beraterin verpflichten.«
    Auf Pattys tränennasses Gesicht legte sich ein Lächeln. »Ich glaub’s dir ja, aber wird dir auch die Bank glauben?«
    Patty hatte niemals an Jeannie gezweifelt. Sie selbst hatte nie sonderlichen Ehrgeiz an den Tag gelegt; als Schülerin war sie nicht einmal Durchschnitt gewesen. Mit neunzehn hatte sie geheiratet und hatte ohne erkennbares Bedauern die Aufgaben einer Hausfrau und Mutter übernommen.
    Jeannie war das Gegenteil. Sie war Klassenbeste gewesen, Kapitän sämtlicher Sportmannschaften und Meisterin im Tennis. Deshalb hatte sie sich ihr Studium mit Sportstipendien finanzieren können. Wenn Jeannie sagte, sie würde dies tun oder das - was es auch sein mochte -, Patty zweifelte nie daran.
    Doch Patty hatte recht. Die Bank würde Jeannie keinen weiteren Kredit gewähren, nachdem sie erst vor kurzem den Kauf ihrer Wohnung finanziert hatte.
    Außerdem war sie erst seit kurzem Assistenzprofessorin; es würden noch drei Jahre vergehen, bevor sie für eine Beförderung in Frage kam. Als die Schwestern zum Parkplatz gelangten, sagte Jeannie verzweifelt: »Also gut, ich werde meinen Wagen verkaufen.«
    Dabei hing sie an ihrem Wagen. Es war ein zweiundzwanzig Jahre alter Mercedes 2300, eine rote, zweitürige Limousine mit schwarzen Ledersitzen.
    Jeannie hatte den Wagen vor acht Jahren von ihrem Preisgeld gekauft, als sie für den Sieg beim Tennisturnier am Mayfair-Lites-College fünftausend Dollar kassiert hatte - zu einer Zeit, als es noch nicht als schick galt, Besitzer eines alten Mercedes zu sein. »Wahrscheinlich ist der Wagen doppelt so viel wert, wie ich dafür bezahlt habe«, sagte sie.
    »Aber dann mußt du dir ein anderes Auto kaufen«, bemerkte Patty mit ihrem erbarmungslosen Sinn für Realität.
    »Da hast du recht.« Jeannie seufzte. »Na ja, ich könnte private Nachhilfestunden erteilen. Es verstößt zwar gegen die Vorschriften der Uni, aber vielleicht sind vierzig Dollar die Stunde drin, wenn ich reichen Studenten, die beim Examen an anderen Unis durchgerasselt sind, Einzelunterricht in Statistik gebe. Dann könnte ich um die dreihundert Dollar pro Woche verdienen - steuerfrei, wenn ich es nicht angebe.« Sie schaute ihrer Schwester in die Augen. »Kannst du auch was beisteuern?«
    Patty wandte den Blick ab. »Ich weiß nicht.«
    »Zip verdient mehr als ich.«
    »Er würde mich umbringen, könnte er mich jetzt hören, aber fünfundsiebzig, achtzig Dollar die Woche könnten wir vielleicht zuschießen«, sagte Patty schließlich. »Ich werde Zip mal auf die Füße treten, daß er wegen einer Gehaltserhöhung nachfragt. In dieser Beziehung ist er ein bißchen ängstlich, aber ich weiß, daß er ein höheres Gehalt verdient hätte. Außerdem kann sein Chef ihn gut leiden.«
    Jeannies Stimmung hob sich, wenngleich die Aussicht, ihre Sonntage mit Nachhilfestunden für verkrachte Studenten verbringen zu müssen, nicht gerade erhebend war. »Mit vierhundert Dollar zusätzlich die Woche könnten wir Mom ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad besorgen.«
    »Und dann könnte sie mehr von ihren alten Sachen unterbringen, die Andenken und den ganzen Schnickschnack. Und vielleicht ein paar Möbel aus der Wohnung.«
    »Wir hören uns mal um, ob jemand eine schöne Bleibe für sie weiß.«
    »In Ordnung«, sagte Patty, plötzlich nachdenklich geworden. »Sag mal, Moms Krankheit ist erblich, nicht wahr? Ich hab’ einen Fernsehbericht darüber gesehen.«
    Jeannie nickte. »Es ist ein genetischer Defekt, AD3, der mit dem Frühstadium der Alzheimerschen Krankheit in Zusammenhang steht.« Man hatte den Defekt im Chromosom i4q24-3 lokalisiert, wie Jeannie sich erinnerte; aber das würde Patty nichts sagen.
    »Bedeutet das, du und ich werden so enden wie Mom?«
    »Es bedeutet, daß die Gefahr besteht, ja.«
    Beide schwiegen für einen Augenblick. Der Gedanke, den Verstand zu verlieren, war beinahe zu grauenhaft, als daß man darüber reden konnte.
    »Ich bin froh, daß ich meine Kinder so jung bekommen habe«, sagte Patty.
    »Wenn die Krankheit mich erwischt, sind sie alt

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