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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Aufenthaltsraum und sah fern. Vielleicht fand sie eine Freundin, eine Frau in ihrem Alter, die ihre Vergeßlichkeit in Kauf nahm und sich für die Fotos der Enkelkinder interessierte.
    Früher hatte Mom viele Freundinnen gehabt: die anderen Friseusen im Salon, einige Kundinnen, Nachbarn - Menschen, die sie seit fünfundzwanzig Jahren gekannt hatte. Doch es war schwer für diese Leute, die Freundschaft aufrechtzuerhalten, wenn Mom nicht einmal mehr wußte, wen sie vor sich hatte.
    Als Jeannie am Hockeyplatz vorüberkam, traf sie Lisa Hoxton. Jeannie war erst seit einem Monat an der Jones Falls, und Lisa war bis jetzt ihre einzige richtige Freundin. Sie arbeitete als Technikerin im Labor für Psychologie. Lisa hatte einen Abschluß in Naturwissenschaften, wollte aber nicht als Lehrkraft tätig sein. Wie Jeannie stammte sie aus ärmlichen Verhältnissen, und der akademische Dünkel einer Eliteuniversität schüchterte sie ein bißchen ein. Die beiden Frauen hatten einander auf Anhieb sympathisch gefunden.
    »Gerade hat ein Knabe versucht, mich anzumachen«, sagte Jeannie mit einem Lächeln.
    »Wie sah er denn aus?«
    »So wie Brad Pitt, nur größer.«
    »Hast du ihm gesagt, daß du eine Freundin hast, die altersmäßig besser zu ihm paßt als du?« fragte Lisa. Sie war vierundzwanzig.
    »Nein.« Jeannie warf einen raschen Blick über die Schulter, doch es war niemand zu sehen. »Geh weiter, falls er mir hinterherkommt.«
    »Was wäre so schlimm daran?«
    »Na, hör mal.«
    »Man läuft nur vor den miesen Typen davon, Jeannie.«
    »Jetzt hör endlich damit auf!«
    »Du hättest ihm meine Telefonnummer geben können.«
    »Ich hätte ihm einen Zettel mit deiner BH-Größe geben sollen«, sagte Jeannie.
    Lisa hatte einen großen Busen. »Das hätte seinen Zweck schon erfüllt.«
    Lisa blieb stehen. Für einen Moment glaubte Jeannie, sie wäre zu weit gegangen und hätte die Freundin beleidigt. Dann sagte Lisa: »Was für eine tolle Idee! Und wie raffiniert! ›Meine BH-Größe ist 36 D; weitere Informationen unter folgender Nummer … ‹«
    »Ich bin bloß neidisch. Ich habe mir immer viel Holz vor der Hütte gewünscht«, sagte Jeannie, und beide kicherten. »Ja, wirklich. Als Mädchen habe ich gebetet, daß mir endlich Brüste wachsen. In meiner Klasse habe ich als letzte die Periode bekommen. Es war schrecklich peinlich.«
    »Hast du dich wirklich neben dein Bett gekniet und gesagt: ›Lieber Gott, laß mir einen Busen wachsend«
    »Um ehrlich zu sein, ich habe zur Jungfrau Maria gebetet. Ich hab’ mir damals gedacht, es ist Mädchensache. Und natürlich habe ich nicht ›Busen‹ gesagt.«
    »Was dann? Brüste?«
    »Nein. Damals dachte ich mir, ich darf den Begriff ›Brüste‹ der Muttergottes gegenüber nicht benutzen.«
    »Was hast du denn gesagt?«
    »›Titten‹.« 
    Lisa lachte schallend.
    »Ich weiß nicht, wie ich an das Wort gekommen bin. Hab’ es wohl bei einem Männergespräch aufgeschnappt. Mir kam es wie eine höfliche und mildernde Umschreibung vor. Diese Geschichte habe ich noch nie im Leben jemandem erzählt.«
    Lisa warf einen Blick nach hinten. »Tja, ich sehe keinen gutaussehenden Burschen, der uns hinterherläuft. Wir haben Brad Pitt abgeschüttelt, nehme ich an.«
    »Ist auch gut so. Er ist genau mein Typ: hübsch, sexy, übertrieben selbstsicher und ganz und gar nicht vertrauenswürdig.«
    »Woher willst du wissen, daß er nicht vertrauenswürdig ist? Du hast ihn nur zwanzig Sekunden gesehen.«
    »Man kann keinem Mann trauen.«
    »Da hast du vermutlich recht. Sag mal, kommst du heute abend ins Andy’sl«
    »Ja, aber nur auf ein Stündchen. Jetzt muß ich erst mal duschen.« Ihr Polohemd war schweißdurchtränkt.
    »Ich auch.« Lisa trug Shorts und Joggingschuhe. »Ich hab’ mit der Hockeymannschaft trainiert. Warum willst du nur für eine Stunde kommen?«
    »Ich hatte einen schweren Tag.« Das Match hatte Jeannie abgelenkt; nun aber zuckte sie zusammen, als der Schmerz sie wieder überkam. »Ich mußte meine Mom in ein Heim bringen.«
    »Oh, Jeannie, das tut mir schrecklich leid.«
    Jeannie erzählte Lisa die Geschichte, als sie die Sporthalle betraten und die Treppe ins Kellergeschoß hinunterstiegen. Im Umkleideraum erhaschte Jeannie einen Blick auf ihrer beider Spiegelbilder. Ihr Äußeres war so verschieden, daß sie beinahe wie Darsteller in einer Slapstick-Komödie aussahen. Lisa war von knapp durchschnittlicher Größe, während Jeannie gut eins achtzig maß. Lisa war blond und

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