Der Dritte Zwilling.
Leinentüchlein in die Brusttasche und polierte die Kappen seiner schwarzen Halbschuhe, bis sie spiegelten.
Dann fuhr er zur Universität, begab sich in sein Büro und schaltete seinen Computer ein. Wie die meisten im Ruf eines intellektuellen Superstars stehenden Akademiker erteilte er kaum Unterricht. Hier in Jones Falls hielt er eine Vorlesung pro Jahr. Seine eigentliche Aufgabe war die Leitung und Koordination der Forschungsarbeit der Instituts angehörigen und die Aufwertung ihrer Veröffentlichungen durch das Prestige seines Namens. An diesem Vormittag konnte er sich jedoch auf nichts konzentrieren; so blickte er, während er auf einen Anruf wartete, aus dem Fenster und beobachtete vier Jugendliche bei einem dynamischen Doppel auf dem Tennisplatz.
Er mußte nicht lange warten.
Um halb zehn läutete das Telefon. »Wir haben ein Problem«, sagte Maurice Obell, der Rektor der Jones-Falls-Universität.
»Was ist passiert, Maurice?« erkundigte sich Berrington angespannt.
»So ein kleines Miststück von der New York Times hat mich gerade angerufen. Sie behauptet, jemand in Ihrem Institut verletzt die Privatsphäre anderer Leute. Eine Dr. Ferrami.«
Gott sei Dank, jubelte Berrington insgeheim; auf Hank Stone war doch Verlaß.
»So etwas hatte ich befürchtet«, sagte er betont düster. »Ich komme sofort zu Ihnen.« Er legte auf und blieb einen Moment nachdenklich sitzen. Es war zu früh zum Triumphieren. Das war nur der erste Schritt gewesen. Nun mußte er dafür sorgen, daß sowohl Maurice als auch Jeannie in seinem Sinne agierten.
Maurice’ Stimme hatte besorgt geklungen. Das war schon mal ein guter Anfang.
Berrington würde dazu beitragen, daß der Gute auch weiterhin besorgt blieb.
Maurice mußte glauben, es würde zu einer Katastrophe führen, wenn Jeannie ihre Datenbank-Recherche nicht sofort abbrach. Sobald Maurice sich zum Einschreiten entschlossen hatte, mußte Berrington sichergehen, daß er auch dabei blieb.
Vor allem ging es darum, jegliche Art von Kompromiß zu verhindern. Jeannie war von Natur aus nicht gerade kompromißbereit, das wußte er, aber wenn ihre gesamte Zukunft auf dem Spiel stand, würde sie vermutlich alles versuchen. Es war nur erforderlich, genügend Öl ins Feuer zu gießen, damit sie sich empört zur Wehr setzte.
Und das alles mußte er so fertigbringen, daß es nach außenhin wohlmeinend wirkte. Wenn auch bloß der geringste Eindruck entstand, daß er es war, der Jeannie Steine in den Weg legte, mochte Maurice den Braten riechen. Jeder mußte davon überzeugt sein, daß Berrington mit ihr sympathisierte, ja, sie sogar verteidigte.
Er verließ die Klapsmühle, schritt quer über den Campus, vorbei am Barrymore-Theater und dem Institut für Bildende Künste zur Hillside Hall, einst das Landhaus des Universitätsgründers, wo jetzt die Verwaltung untergebracht war. Der prächtige Salon des alten Hauses diente nun als Büro des Rektors.
Berrington nickte Dr. Obells Sekretärin freundlich zu. »Ich werde erwartet«, erklärte er ihr. »Bitte gehen Sie nur hinein, Professor.«
Maurice saß am Erkerfenster, das auf den Rasen schaute. Der Rek tor war ein gedrungener Mann, der, von der Hüfte abwärts gelähmt, in einem Rollstuhl aus Vietnam heimgekehrt war. Berrington kam gut mit ihm aus, vielleicht, weil sie beide beim Militär gedient hatten. Außerdem verband sie eine Vorliebe für die Musik von Gustav Mahler. Maurice machte oft einen angespannten, ja gestreßten Eindruck. Für den Fortbestand der JFU waren jedes Jahr private und offizielle Zuwendungen von mindestens zehn Millionen Dollar erforderlich; infolgedessen fürchtete er negative Publicity.
Er drehte seinen Stuhl herum und rollte zum Schreibtisch. »Sie arbeiten gerade an einem umfangreichen Artikel über wissenschaftliche Ethik, sagt sie. Berry, wir können nicht zulassen, daß Jones Falls darin zum Inbegriff moralisch verwerflicher Forschung wird! Wenigstens die Hälfte unserer Mäzene würde sich von uns zurückziehen. Wir müssen etwas dagegen unternehmen!«
»Wer ist diese Frau?«
Maurice überflog die oberste Seite eines Notizblocks. »Naomi Freelander. Die Ethik-Redakteurin. Wußten Sie, daß Zeitungen Ethik-Redakteure haben? Ich nicht.«
»Es wundert mich zumindest nicht, daß die New York Times so jemanden hat.«
»Das hält sie nicht davon ab, sich wie die gottverdammte Gestapo aufzuführen. Sie waren dabei, mit diesem Artikel in Druck zu gehen, bis sie gestern einen Hinweis auf Ihre Miß
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