Der Dritte Zwilling.
Trennfläche würde sich im Inneren des Reagenz glases einen Meniskus bilden, eine Wölbung der Flüssigkeitsoberfläche. Sobald dieser Prozeß beendet war, befand die DNS sich im wäßrigen Teil, der dann für die nächste Phase der Untersuchung mit einer Pipette abgesaugt werden konnte. Aber das würde bis zum Mor gen warten müssen.
Irgendwo klingelte ein Telefon. Jeannie runzelte die Stirn; es hörte sich an, als käme das Klingeln aus ihrem Büro. Sie ging über den Flur und nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Spreche ich mit Dr. Ferrami?«
Jeannie konnte Leute nicht ausstehen, die bei einem Anruf nach dem Namen fragten, ohne sich vorgestellt zu haben. Es war so, als würde man bei jemandem an die Haustür klopfen und nach dem Öffnen fragen: »Wer, zum Teufel, sind Sie?« Sie verbiß sich eine sar kastische Erwiderung und sagte statt dessen: »Am Apparat. Mit wem spreche ich, bitte?«
»Naomi Freelander, New York Times .« Sie hatte eine Stimme wie eine gut fünfzig Jahre alte Kettenraucherin. »Ich hätte da einige Fragen an Sie.«
»Um diese Zeit?«
»Ich arbeite rund um die Uhr. Sie doch anscheinend auch.«
»Warum rufen Sie mich an?«
»Ich stelle Nachforschungen für einen Artikel über wissenschaft liche Ethik an.«
»Oh.« Sofort mußte Jeannie an Steve denken und daran, daß er nicht wußte, ob er ein Adoptivkind war. Das war in der Tat ein ethi sches Problem, wenngleich kein unlösbares - aber die Times wußte doch wohl nichts davon? »Und was wollen Sie da von mir?«
»Soviel ich weiß, durchsuchen Sie per Computer medizinisches Datenmaterial, um geeignete Versuchspersonen für Ihre Studien zu finden.«
»Oh, jetzt verstehe ich.« Jeannie entspannte sich. In dieser Hin sicht hatte sie nichts zu befürchten. »Ja, ich habe ein Suchprogramm entwickelt, das Datenbanken durchforschen und nach Paaren suchen kann. Es geht mir darum, eineiige Zwillinge zu finden. Das Programm kann bei allen Arten von Datenmaterial benutzt werden.«
»Aber Sie haben Zugang zu medizinischen Unterlagen bekommen, und dieses Programm dann benutzt.«
»Es kommt entscheidend darauf an, was Sie unter ›Zugang‹ verstehen. Ich habe sorgfältig darauf geachtet, den Personenschutz zu wahren und nicht in die Privatsphäre einzudringen. Ich habe keine einzige Akte zu Gesicht bekommen. Das Programm druckt die Akten nicht aus.«
»Was druckt es dann aus?«
»Die Namen der beiden Personen, ihre Anschriften und ihre Telefonnummern.«
»Aber es druckt die Namen paarweise aus.«
»Natürlich. Das ist ja der Zweck der Übung.«
»Wenn Sie Ihr Programm also … sagen wir mal, auf eine Datenbank anwenden, in der Hirnstrommessungen gespeichert sind, würde es Ihnen mitteilen, daß die Hirnwellen von Herrn X die gleichen sind wie die von Herrn Y.«
»Gleich oder ähnlich. Aber das Programm gibt mir keinerlei weitere Informationen über den Gesundheitszustand der beiden Männer.«
»Aber wenn Sie vorher wußten, daß Herr X ein paranoider Schizophrener ist, könnten Sie daraus schließen, daß das auch für Herrn Y gilt.«
»So etwas könnte ich unmöglich wissen.«
»Es könnte doch sein, daß Sie Herrn X kennen.«
»Und woher?«
»Er könnte Ihr Hausmeister sein, oder was weiß ich.«
»Ich bitte Sie!«
»Es ist möglich.«
»Soll Ihr Artikel dieses Thema behandeln?«
»Vielleicht.«
»Also gut. Theoretisch ist möglich, was Sie sagen, aber die Wahrscheinlichkeit ist so gering, daß jeder vernünftige Mensch sie gar nicht erst in Betracht ziehen würde.«
»Darüber könnte man sich streiten.«
Diese Reporterin schien es auf eine reißerische Story abgesehen zu haben, ungeachtet der Tatsachen.
In Jeannie keimte Besorgnis auf. Sie hatte schon genug Probleme, auch ohne daß ihr die verdammten Zeitungen im Nacken saßen.
»Worauf gründen sich Ihre Aussagen?« fragte sie. »Haben Sie tatsächlich jemanden gefunden, der sich in seiner Privatsphäre verletzt fühlt?«
»Mich interessiert die Möglichkeit.«
Plötzlich kam Jeannie ein Gedanke. »Wer hat Ihnen den Tip gegeben, mich anzurufen?«
»Warum fragen Sie?«
»Aus dem gleichen Grund, der Sie veranlaßt, mir Fragen zu stellen. Ich möchte die Wahrheit wissen.«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Interessant«, erwiderte Jeannie. »Ich habe Ihnen einiges über meine Forschungen und Forschungsmethoden erzählt. Ich habe nichts zu verbergen. Aber das können Sie nicht von sich behaupten. Sie ma chen mir einen … beschämten Eindruck, würde ich sagen.
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