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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in den Gassen. Eine kleine Armee von Straßenhändlern belagerte die Gruppen und bot alles an … von Elfenbeinschnitzereien, von denen die wenigsten echtes Elfenbein waren, sondern gemahlenes Kuhhorn, das mit Kunststoff in Formen gegossen war, bis zu feinsten Seidenstoffen und bemaltem Porzellan.
    Auch Liang Tschangmao, das blinde Blumenmädchen, stand mit seinen Körben am Quai und hielt ihre Blumen hoch. Etwas abseits stand Dr. Mei und bereitete sich auf einen neuen Besuch im Puff von Madame Yo vor. Er war gerade an Land gekommen und wartete den ersten Andrang der Touristen ab, um dann später Liang ein Zeichen zu geben.
    Ling hatte ein feines Gefühl für Gefahr, fast einen Instinkt wie ein Tier. Er spürte: Irgendwo in dem Menschengewühl ist jemand, der dich beobachtet. Er schleicht um dich herum. Sie haben deine Spur.
    Er aß in aller Ruhe seinen Teller leer, einen gewachsten Pappteller, den er hinterher in eine der vielen Abfalltonnen warf, die überall herumstanden, spannte sich dann wieder vor seinen Handwagen und zog mit ihm vom Quai weg in eine der engen Gassen. Ihm folgte ein langer, dürrer Chinese mit einem breiten Flechthut, wie ihn viele Landarbeiter tragen. Er war mit einem der blauen Kittelanzüge bekleidet, wie Millionen Chinesen sie besitzen.
    Ling hielt an einer dunklen Toreinfahrt, ließ den Karren stehen und drückte sich in den tiefen Schatten. Der Verfolger spazierte vorbei, drehte um, kam zurück und sah sich um. Dann trat auch er in die Toreinfahrt und war somit von der Straße aus nicht mehr zu sehen.
    Wortlos ließ Ling sich gegen den Mann fallen und stieß ihm gleichzeitig einen beidseitig scharfen Krummdolch in den Bauch. Der Verfolger keuchte, aber zum Schreien kam er nicht mehr. Ling preßte ihm die Hand auf den Mund, stieß noch einmal zu, in das Herz, und ließ den Toten dann gegen die Hauswand fallen.
    Ohne Hast kehrte Ling zu seinem Karren zurück, zog ihn weiter die Gasse hinauf, bog in eine Quergasse ab und kehrte gemütlich zum Hafen zurück. Dort ging er an den Quai, warf die in Säcke gehüllten Koffer Dr. Merkers hinab in seinen Sampan und hockte sich dann wieder auf das Pflaster.
    Nach einer halben Stunde endlich kletterte er hinab ins Boot, löste den Strick und ruderte davon. Es folgte ihm niemand, der ihm verdächtig schien. Nach wenigen Minuten war Ling im Gewimmel der Sampans verschwunden, zwischen den Hunderten Booten, die Tag und Nacht in Yau Ma Tei unterwegs waren.
    Ting Tse-tung traf wenig später am Hafen ein. Der Tote in der Toreinfahrt war erst jetzt als Toter erkannt worden. Bisher hatten alle, die ihn sahen, geglaubt, er schlafe dort, wie Tausende seiner Art. Erst ein Kind sah das Blut unter ihm weglaufen und schrie. Aber auch das war in dieser Gegend kein Grund, sich aufzuregen. Ein Händler übernahm die Wache, bis er die Polizei hörte, dann lief auch er weg und mischte sich unter die Menge.
    Die geplagte Mordkommission von Kowloon und auch Ting Tse-tung brachten diesen Toten in keinen Zusammenhang mit Dr. Merker. Wie sollten sie auch? Es war ein Mord, wie man ihn in der Chinesenstadt gewöhnt ist. Nach Motiven brauchte man gar nicht erst zu suchen, man fand sie doch nicht. Als unbekannter Toter landete er in der Anatomie und diente jungen Studenten als chirurgisches Übungsobjekt.
    »Man hat uns alle ganz schön in den Arsch getreten!« sagte Ting spät in der Nacht, als ihm klar war, daß der Koffertransport und damit eine Spur zu Dr. Merker verpatzt worden war. »Ich rechne jetzt nur noch mit der Anständigkeit von Dr. Melkel. Er wird einen Freund wie mich nicht im Stich lassen …«
    In dem stark geschminkten Gesicht von Madame Yo regte sich nichts, als Dr. Mei wieder ihr Etablissement betrat und an seinem Tisch Platz nahm. Dieses Mal betreute ihn die ebenso vollbusige, mit Silikon unterspritzte Meling, die ihm in Unkenntnis ebenfalls das Fotoalbum servierte und ihren Oberkörper einladend über den Tisch hängte.
    »Fangen wir diesmal mit Rum an!« sagte Dr. Mei und schob das Album zur Seite. »Mixt mir einen schönen Longdrink mit viel Bacardi, der mich erfrischt.«
    Meling starrte ihn entgeistert an, nahm ihren Busen weg und trippelte hinüber zum Thron von Madame Yo. Dort erfuhr sie, daß der alte Knacker ein harmloser Säufer sei, der den Tick habe, ausgerechnet in einem Haus wie diesem sich vollaufen zu lassen. Die Mädchen konnten auf ihren Zimmern bleiben. Dem Alten schien die Atmosphäre des Lokals zu genügen, um sich innerlich zu

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