Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Wurzeln ragten in den Raum hinein, wobei es eher eine Höhle als ein Raum war. Lediglich der Boden war mit Schotter bedeckt und festgestampft worden. Zwei stark rußende Fackeln, die jemand kurzerhand knapp oberhalb des Bodens in die weiche Erde gesteckt hatte, beleuchteten das Innere. Der Gestank kam eindeutig aus diesem Raum. Bevor Tislo eintrat, drehte er sich zu Nelf um.
»Es ist mit Sicherheit kein Küchendienst«, verriet er mit zugehaltener Nase.
Dann schlüpfte er unter dem Vorhang durch, und Nelf folgte ihm. Im Inneren der Höhle standen elf provisorische Feldbetten. In jedem lag ein Zwerg, mehr oder weniger von Schmerzen gepeinigt. Einer wälzte sich im Bett herum, starrte den beiden Halblingen entgegen und flehte sie an, ihm aufzuhelfen. Etwas weiter hinten, fast im Schatten verborgen, stand ein einfacher Tisch, und dahinter saß ein Zwerg mit langen weißen Haaren und einem kurz geschorenen Bart. Er trug einen übergeworfenen dunkelroten Ornat.
»Du musst liegen bleiben«, sagte er. »Wenn du willst, dass alles wieder in Ordnung kommt, brauchst du viel Ruhe.«
Er erhob sich, griff nach einem Krug, der neben vielen anderem Krimskrams auf dem Tisch stand, und schlurfte hinüber zum Bett des Zwerges. Behutsam, fast fürsorglich hob er den Kopf des Kranken und flößte ihm etwas aus dem Krug ein. Erst danach drehte er sich zu den beiden Neuankömmlingen.
»Und ihr seid?«, fragte er, als der Durst des kranken Zwerges gestillt war.
»Ich bin Nelf, und das hier ist mein Bruder Tislo.«
»Gefangene, nehme ich an?«
»Für versuchten Diebstahl«, gab Nelf offen zu.
»Doppelt bitter«, höhnte der Zwerg. »Ich bin Meister Nodrin. Kennt ihr euch mit der Pflege von Kranken aus?«
»Nicht besonders, aber wir waren selbst schon mal krank, vielleicht reicht das.«
Der Zwergenmeister verzog das Gesicht und schlurfte zurück zu seinem Tisch.
»Ihr müsst nicht viel tun«, erklärte er. »Es reicht, wenn ihr ihnen zu trinken gebt oder mit ihnen ein paar nette Worte wechselt. Die meisten dämmern ohnehin den ganzen Tag vor sich hin. Und falls einer sein Leiden hinter sich gebracht hat, geht ihr nach vorn zum Haupttunnel und steckt diese weiße Fahne in die Wand. Den Rest machen dann die anderen.«
Nelf und Tislo schauten zweifelnd von Bett zu Bett. Nirgends waren Verbände zu sehen, und auch von blutigen Tüchern, Eiterschalen, Brandeisen und Knochensägen war keine Spur. In einem Kampf wurden die Männer somit nicht verletzt. Fragte sich nur noch, was ihnen fehlte.
»Helft mir hoch«, flehte der Zwerg erneut aus seinem Bett.
Nelf und sein Bruder eilten zu ihm. Es war besser, sich schnell in die Aufgaben einzuarbeiten, die ihnen die Zwerge gaben. Ansonsten konnte man sich darauf gefasst machen, Arbeiten zu bekommen, die man nicht falsch machen konnte.
»Ich habe gesagt, sie bekommen von euch zu trinken oder Zuspruch, sonst nichts«, schnauzte Meister Nodrin die beiden an und schob einen Krug an den Rand des Tisches. »Hier ist etwas gegen den Durst und die Schmerzen. Gebt ihm das.«
Tislo eilte zum Tisch des Zwerges und holte das Gefäß.
»Das ist Starkbier«, stellte er verwundert fest, als er daran gerochen hatte.
»Gegen Durst und gegen Schmerzen, wie ich schon sagte.«
»Was hat er denn?«, erkundigte sich Nelf in der leisen Hoffnung, auch davon befallen zu werden.
Der Zwerg signalisierte seine Zustimmung, die muffige Decke anzuheben und sich selbst ein Bild zu machen. Tislo klammertesich gebannt an den Krug, während Nelf die Decke zurückschob. Zuerst konnten die beiden nichts Besonderes entdecken. Der Zwerg lag, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, fast bewegungslos auf der provisorischen Strohmatratze. Erst auf den zweiten Blick erkannte Nelf, dass die Haut unnatürlich grau und matt aussah. Als er die Decke ganz zurückschlug, stockte ihm der Atem. Das rechte Bein des Zwerges war aus Stein. Die Verwandlung ging von den Zehen bis hinauf zum Becken. Der Übergang zwischen Fleisch und Stein war nicht genau zu erkennen. Nelf deckte den Zwerg wieder zu.
»Ist das ansteckend?«, fragte er Meister Nodrin.
»Wäre ich dann noch hier?«
»Ihr seid ein Meister«, sagte Nelf bestürzt. »Ihr heilt Kranke, lindert Schmerzen und sprecht Segen aus. Kein Leiden, und sei es auch noch so schlimm, würde einen Meister dazu bringen, einen Kranken im Stich zu lassen.«
Nodrin starrte den Halbling an, als wenn ihm ein dritter Arm aus der Brust ragen würde.
»Ich bin ein Meister, das ist richtig. Ich habe
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