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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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mein Leben Leonis gewidmet. Das ist auch richtig. Das heißt aber noch lange nicht, dass er mich mit enormen Heilkräften ausgestattet und mich immun gegen alle Seuchen gemacht hat. Wir sind Zwerge und keine Elfen. Wir beklagen uns nicht wegen irgendwelcher Wehwehchen. Seit Jahrzehnten kümmere ich mich um die Zwerge in Graumark, und alles, was ich bisher gesehen habe, waren gebrochene Knochen, Schnitt- und Stichwunden, Quetschungen, Verbrennungen und Amputationen. Ein Zwergenkleriker ist mehr ein Handwerker als ein Gelehrter. Natürlich hilft mir Leonis’ Macht bei der Erfüllung meiner Aufgaben, aber große Wunder kann man von mir nicht erwarten. Und ich glaube auch nicht, dass irgendein anderes Volk über so große klerikale Kräfte verfügt, wie sie gern behaupten. Ich habe jedenfalls noch keines dieser Wunder gesehen, von denen die alten Legenden der anderen Völker berichten.«
    Das alles kam Nelf mehr als bekannt vor, nur bezogen aufHalblinge. So in etwa hatte sich auch Oda geäußert, als sie kurz vor der Aufnahme in den Klerikerorden der Cephei den Tempel in Flussmauer verlassen und sich entschlossen hatte, ihren Brüdern auf Abenteuersuche zu folgen. Eher wütend als enttäuscht gestand sie beiden damals, dass man versuchte, den Glauben mit Blendwerk am eigenen Volk aufrechtzuerhalten. Wenn Nelf sich richtig erinnerte, hatte sie damals wörtlich gesagt: »Ich bin doch kein zweitklassiger Gaukler, der versucht, das Publikum mit schlechten Tricks zu beeindrucken.« Danach verlor sie kaum noch ein Wort über ihre Zeit als Novizin.
    Nelf wollte auch bei Meister Nodrin nicht weiter nachbohren. Irgendwo hatte er gehört, dass Kleriker recht empfindlich waren, wenn es um ihren Glauben ging. Da diese Empfindsamkeit sich bei den Zwergen meist in Wutausbrüchen äußerte, die dann zu Prügel führten, hielt er es für klüger, das Gesagte auf sich beruhen zu lassen und sich lieber für den Patienten zu interessieren.
    »Wie hat sich das Bein in Stein verwandelt?«
    »Ein Sumpfzauter«, antwortete Nodrin knapp.
    »Ein was?«, fragten Nelf und Tislo beinahe gleichzeitig nach.
    »Ihr wisst nicht, was ein Sumpfzauter ist?«, brummte der Zwergenmeister.
    Die Brüder schüttelten den Kopf.
    »Wir gehen nicht so oft in Sümpfe«, versuchte Tislo zu erklären. »Liegt vielleicht daran, dass wir klein sind und schwere Füße haben   – das verträgt sich nicht gut mit Sumpf.«
    »Wem erzählst du das, Junge?«, schnaubte Nodrin. »Wenn wir schlau gewesen wären, hätten wir dieses Höllenloch hier unter dem Moor niemals betreten. Na ja, wie auch immer, ein Sumpfzauter ist eine verfluchte Bestie. Zum Glück gibt es nur wenige davon, aber ab und an kann man sie in großen Mooren und Sümpfen noch antreffen. Von Weitem sehen sie aus wie altersschwache Pferde, die grasen. Sie sind ein bisschen größer und stämmiger, und ihr Hals ist länger. Geht man jedoch weiter heran, sieht man, dass ihr Kopf meist ins Wasser hängt oder im Morast feststeckt.Nur Leonis weiß, wie diese verdammten Viecher atmen. Wahrscheinlich wie Fische. Wenn man so nah heran ist, sollte man lieber schleunigst abhauen, denn wenn sie den Kopf aus dem Wasser ziehen und dich anblicken, verwandeln sie dich in Stein. Fast wie ein Basilisk, aber diese hier machen alles zu Stein: Pflanzen, Tiere, Grün- und Rotbluter   – vermutlich sogar die Götter selbst. Zum Glück ist ihre Muskulatur am Hals so schwach, dass sie es nur selten schaffen, den Kopf zu heben. Angeblich haben sie den Schädel eines uralten Keilers mit widerlichen, krummen Hauern und langem zotteligem Fell. Aber so genau weiß das natürlich niemand.«
    »Diesmal hat der Sumpfzauter wohl die Kraft gefunden, den Kopf aus dem Wasser zu ziehen«, folgerte Nelf.
    »Zum Glück nicht, Junge, sonst würde er sicherlich nicht hier im Bett liegen, sondern als Statue vor dem Eingang stehen. Er und die beiden anderen neben ihm hatten nur das Pech, durch die Höhle des Zauters zu kommen. Das Vieh hatte doch tatsächlich alles um sich herum nach und nach in Stein verwandelt und hockte wie in einer Druse in seinem eigenen Gefängnis   – bis wir kamen. Die drei hatten sich Planken zurechtgelegt, um nicht durchs Wasser waten zu müssen und das Vieh aufzuwecken. Was soll ich sagen, die Planken brachen, und die drei fielen ins Wasser. Ein Blick auf ihre Beine reichte. Das Ergebnis siehst du dort.«
    »Wie habt Ihr die Bestie getötet?«, wollte Tislo wissen.
    »Gar nicht! Sie steht immer noch irgendwo weit

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