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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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hinten in diesem Höllenloch, den Kopf im Wasser und den Arsch gen Himmel gestreckt wie eine verdammte Ente. Wenn ihr sie euch ansehen wollt, tut euch keinen Zwang an. Wenn ihr sie erschlagen wollt, gebe ich euch sogar persönlich zwei kleine Schwertchen. Dafür müsst ihr mir aber versprechen, dass, wenn sie euch in Stein verwandelt, ich euch für meinen Kaminsims zu Hause haben darf.«
    »Ich glaube, wir versuchen es lieber erst einmal mit Krankenpflege«, sagte Nelf und besah sich das versteinerte Bein des Zwerges noch einmal. »Hat er Schmerzen?«
    »Nur beim Treppensteigen«, lachte Nodrin.

30. MILO
    Zwei Dinge konnte Milo nach zweieinhalb Tagen auf einem Pferderücken sagen: Es gab keine schnellere Art zu reisen, und es war lebensgefährlich, im Sattel einzuschlafen, wenn man mit den Füßen nicht bis in die Steigbügel reichte. Sie waren Tag und Nacht durchgeritten, im leichten Trab oder im Schritt, um die Pferde zu schonen. Dorn gönnte Tieren wie Reitern keine Ruhe.
    Am ersten Abend waren sie durch ein kleines Bauerndorf namens Tümpelberg gekommen. Milo erinnerte sich noch an das im Wind wackelnde Holzschild am Eingang des Gasthauses. Zur goldenen Forelle stand darauf geschrieben. Aus den halb geöffneten Fenstern zog ein Duft von frisch gebratenem Fisch und gedünsteten Speckwürfeln. Der Geruch hatte etwas von Nachhausekommen, fand Milo, aber auf jeden Fall verlangte er nach Anhalten, Absteigen und Einkehren. Er empfand es nur als gerecht, sich nach dem langen Ritt mit einer knusprig gebratenen Forelle, einem Gläschen Weißwein und einem weichen Bett für die Nacht zu belohnen   – Dorn nicht. Das kleine Dorf umfasste vielleicht zwanzig Häuser: Eine Handvoll Bauernhöfe, ein paar Hütten von Jägern und Fallenstellern, zwei Fischer, die ihre Katen auf die andere Seite des großen Fischteichs gebaut hatten, ein Gasthof und einige kleine Wohnhäuser. Man brauchte länger, die Gebäude aufzuzählen, als zwischen ihnen hindurchzureiten, wurde Milo später bewusst.
    Ein kleines bisschen Hoffnung auf etwas Komfort nach einer Nacht im Sattel hatte Milo wieder gehegt, als Dorn von zwei weiteren Dörfern erzählte, durch die sie am frühen Morgen reiten würden: Weidendach, eine Holzfällersiedlung, und Ackerdorf, ein Steinbruch, der allerlei Handwerker angelockt hatte, weil dort roter Marmor zu finden war. Milo freute sich auf ein deftiges Frühstück und, wenn die Zeit es zuließ, vielleicht ein Bad.
    Weidendach war schon von Weitem zu sehen. Es brannte. Nicht so, wie es in Dörfern öfter passierte, wenn ein Ofen das Dach eines Hauses in Brand steckte. Ganz Weidendach brannte lichterloh.
    Dorn schlug vor, das Dorf in weitem Bogen zu umgehen. Angesichts dessen, dass Weidendach nicht mehr viel zu bieten hatte als etwas Wärme, versuchte Milo gar nicht erst, ihn umzustimmen. Noch vor ein paar Wochen hätte sich Milo nicht so einfach hindern lassen, den Dorfbewohnern zu helfen. Halblinge waren vielleicht keine großen Helden, aber an Hilfsbereitschaft mangelte es ihnen sicherlich nicht. Doch die Vorfälle in Eichenblattstadt schürten in Milo die Angst, noch einmal hilflos dabei zusehen zu müssen, wie andere ohne ersichtlichen Grund aufeinander losgingen, um sich gegenseitig umzubringen.
    Wenige Stunden später erreichten sie Ackerdorf. Es war bereits hell geworden, aber der Morgennebel hatte das Dorf verschlungen. Dorn machte am Rand des Steinbruches halt und lauschte in die Stille hinein. Alles schien ruhig zu sein. Der Söldner ritt als Erster den schmalen Schotterpfad hinunter, der nach Ackerdorf hineinführte. Es war gespenstisch. Nichts regte sich, kein morgendlicher Lärm, keine Stimmen. Dann sahen sie es. Sechs Männer baumelten mit Stricken um ihre Hälse am Vordach eines Hauses. Ihre Gesichter waren kalkweiß wie der Nebel. Alle anderen Menschen schienen das Dorf verlassen zu haben. Die Türen der Hütten und Häuser standen offen. Das Feuer in den Kaminen war ausgegangen. In weiter Ferne bellte ein Hund.
    »Was ist hier passiert?«, fragte Milo, als er zu Dorn aufgeschlossen hatte.
    »Dasselbe wie überall in Graumark. Sie töten sich gegenseitig. Menschen finden immer einen Grund, sich an die Gurgeln zu gehen.«
    Damit mochte er Recht haben, aber es musste noch mehr dahinterstecken. All die Unruhen, die vielen Toten, das Massaker in Eichenblattstadt, das alles war nicht normal. Es hatte einen bestimmten Ursprung, und langsam glaubte Milo zu verstehen,warum Meister Gindawell ihn auf diese Reise

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