Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
Vom Netzwerk:
der großen Macht Cepheis. Er sprach von weit entfernten Kontinenten, von schimmernden Helden unseres Volkes, von Halblingsprinzessinnen, die so schön waren, dass sie den Elfen in nichts nachstanden. Er sprach von Wundern. Aber der Grund, warum ich jeden Tag wiederkam, war ein anderer. Er sagte, Cephei selbst spräche zu ihm und jedem anderen Kleriker, und es sei ihre Aufgabe, die Stimme der Göttin in die Welt hinauszutragen. Seit diesem Tage war es mein größter Wunsch, Priesterin zu werden und ebenfalls die Worte Cepheis zu vernehmen. Ich malte mir aus, wie ihre Stimme sich wohl anhören würde. Ein Klang so rein und klar wie ein Diamant und so weich wie Seide auf der Haut. Jede freie Stunde las ich in den Schriften und eignete mir Wissen an, dasnur wenigen zugänglich war. Als ich Novizin wurde, war ich den anderen Schülern des Tempels schon weit voraus. Ich meisterte jede Prüfung mit Bravour und wurde zur jüngsten Adeptin, die jemals in diesen Rang erhoben wurde. Als ich die Insignien bekam und zur Priesterin geweiht wurde, zog ich mich zurück in meine Kammer und horchte in mich. Aber Cephei sprach nicht zu mir. Ich fragte unseren Ordenspriester, woran es liegen konnte, dass ich ihre Stimme nicht hörte. Er erklärte mir, dass die Stimme der Göttin nicht als ein gesprochenes Wort, sondern eher als ein Gefühl der Überzeugung, das Richtige zu tun, in einem Priester erwuchs. Ich sollte mich in Geduld üben und auf mein Inneres hören.«
    Rubinia wusste nicht genau, was sie Oda antworten sollte oder ob sie überhaupt etwas antworten sollte. Sie war nicht sonderlich gläubig und hatte sich nie für die Aufgaben eines Klerikers interessiert. Genau genommen, hatte sie nur einen Priester gekannt   – Meister Gindawell. Er war ein anerkanntes Mitglied in Eichenblattstadt gewesen, obwohl er nicht zu einer der Gründerfamilien gehört hatte. Er hatte sich für die Bürger eingesetzt, ihnen mit Zuspruch und Ratschlägen geholfen, als Schlichter bei Streitigkeiten fungiert sowie geheilt und kuriert, wenn es in seiner Macht stand. Zu wissen, ob er nun persönlich mit Cephei sprach oder nicht, war ihr nie ein Anliegen gewesen.
    »Vielleicht hat dein Meister sich nur unglücklich ausgedrückt«, sagte sie, um überhaupt etwas zu sagen.
    »Eine Antwort, die eines Halblings wirklich würdig ist«, lachte Oda verbittert. »Er hat sich weder unglücklich ausgedrückt, noch habe ich ihn verkehrt verstanden. Ein paar einfache Nachforschungen haben sogar erbracht, dass sich die Priester mächtiger Magier bedienen, um den Gläubigen göttliche Macht vorzugaukeln. Sie sind nichts weiter als Scharlatane. Man sollte sie allesamt   …« Oda beendete den Satz nicht.
    Rubinia kannte Oda erst seit kurzer Zeit, aber so einen Gefühlsausbruch hätte sie der jungen Frau nicht zugetraut. Irgendetwas ging hier vor, und es nahm Einfluss auf jeden.
    »Wir sollten machen, dass wir weiterkommen«, mahnte Rubinia. »Wir können nicht jede Nacht so viele Wachen stellen, nur weil wir nicht wissen, ob wir hier unten sicher sind.«
    »Du glaubst doch nicht wirklich daran, dass noch mehr Wölfe in der Schlucht sind, oder?«
    »Wie du vorhin schon gesagt hast, Oda, mit dem Glauben ist es so eine Sache. Er lässt einen meist nur unruhig schlafen.«
    »Deswegen hast du sie in alle Richtungen ausgeschickt, um selbst dort zu suchen, wo wir schon waren?«, fragte Oda verwundert.
    »Nein, ausgeschickt habe ich sie, damit sie am Abend hundemüde und erschöpft in ihre Lager fallen und keine Kraft mehr finden, um wieder Streitereien anzufangen. Wir zwei sind die Einzigen, die nach streunenden Wölfen suchen.«
    Oda zischte vergnügt und erhob sich von ihrem Stein. »Dann lass uns keine Zeit verlieren.«
    Zum Ende der Schlucht im Osten war es nicht mehr weit. Die steil aufragenden Felswände liefen spitz aufeinander zu, sodass die Schlucht auf dem letzten Ende kaum mehr zehn Fuß breit war.
    »Keine Wölfe«, sagte Rubinia fast enttäuscht. »Aber auch keine Hasen, Fasane oder wenigstens ein Gewitterhörnchen. Was würde ich dafür geben, einen schönen dicken Hasen mit Speckstreifen, Stampfkartoffeln und Rote Beete zubereiten zu können?«
    »Aus dir spricht wirklich die Köchin«, erwiderte Oda. »Was würde ich dafür tun, einen zu essen?«
    Die beiden wollten sich gerade auf den Rückweg zum Lager machen, da entdeckte Oda einen Spalt, der tief in den Felsen reichte.
    »Warte, Rubinia, dort sind vielleicht Pilze zu finden. Es wäre schön, nicht mit

Weitere Kostenlose Bücher