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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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bestiegen sie das Gefährt und begannen die endlose Fahrt durch das Innere der Berge. Der harte Karren holperte über das Geröll und war kaum entspannender, als frierend und hungernd auf dem harten Boden zu lagern. Dennoch, Halblinge wären keine Halblinge, wenn sie sich von solchen Unannehmlichkeiten die Laune verderben ließen.
    »Wohin soll die Reise eigentlich gehen?«, fragte Nelf. »Ich will ja nicht neugierig sein, aber etwas mehr Information wäre schon ganz gut, um zu wissen, was ich alles einpacken muss.«
    »Raus aus den Bergen, Richtung Süden«, polterte es aus Tomdrin heraus, der daraufhin sofort einen Tritt von Dorimbur gegen das Schienbein einheimste.
    »Süden ist gut, da waren wir bislang noch nicht«, erklärte Nelf vorgetäuscht fröhlich, um seine Angst zu überspielen. »Liegt da nicht der Düsterkrallenwald? Ich habe gehört, da soll es spuken. Und es soll allerlei Monster geben: Waldgeister wie Nachtmare, Dryaden und Trolle   … uaah, da läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Aber zum Glück seid ihr ja bei uns, um uns zu beschützen.«
    Jetzt zuckte die Fackel von Tomdrin vor und wedelte bedrohlich vor Nelfs Gesicht herum.
    »Wir sind nicht eure Beschützer, sondern eure Bewacher. Ihr seid unsere Gefangenen«, stellte der Zwerg energisch fest.
    »Trolle sind auch keine Waldgeister«, mischte sich Oda schnell ein, um den Zwerg etwas abzulenken.
    Dies gelang besser, als erwartet, denn sofort schwenkte Tomdrin die Fackel in Odas Richtung. »Was weißt du schon von Trollen?«
    »Sie weiß gar nichts darüber«, sagte Nelf sofort, um seiner Schwester aus der Klemme zu helfen. »Alles, was sie weiß, hat sie irgendwo nachgelesen. Sie stöbert ständig in irgendwelchen alten Büchern. Sie ist eine richtige Leseratte. Am liebsten hat sie Bücher mit Geschichten von Zwergen.«
    »So, Geschichten von Zwergen«, tönte Dorimbur. »Was sind denn das für Geschichten?«
    »Es sind keine Geschichten«, erwiderte Oda. »Es sind historischen Aufzeichnungen und Völkerbeschreibungen.«
    »Hoho, dann bist du so etwas wie eine Gelehrte. Na, dann lass mal hören, was steht denn über die Zwerge geschrieben in deinen Büchern?«
    Nelf konnte spüren, wie das Eis dünner wurde. Er hätte gern die Aufmerksamkeit wieder auf sich gelenkt, doch Oda kam ihm zuvor: »In den Büchern steht, dass Zwerge keine Fackeln brauchen, um im Dunkeln sehen zu können. Aber anscheinend ist das ein Trugschluss.«
    »Die Bücher haben Recht. Zwerge können im Dunkeln sehen«, sagte Dorimbur. »Hauptsächlich benutzen wir die Fackeln, wenn wir Tunnel bauen, die noch keine ausreichende Belüftung haben. Luft, die zu lange steht, wird giftig. Wenn die Fackeln erlöschen, tust du gut daran, die Luft anzuhalten, bis du wieder eine brennende Fackel siehst.«
    Nelf und Tislo nickten interessiert und hofften, dass auch Oda sich mit der Antwort zufrieden gab. Doch sie kannten ihre Schwester zu gut, um wirklich daran zu glauben.
    »Und wofür noch?«, fragte Oda keck.
    »Wie, wofür noch?«, fragte Dorimbur gereizt.
    »Du hast gesagt, hauptsächlich benutzt ihr die Fackeln dafür. Wofür braucht ihr sie also noch?«
    Dorimbur warf Tomdrin einen geheimnisvollen Blick zu. Dann lächelten beide.
    Oda hatte keine Chance, zu reagieren. Tomdrin drückte ihr die brennende Fackel gegen den Oberarm, zog sie aber gleich wieder zurück. Dennoch schmerzte die kurze Berührung mit dem brennenden Pech enorm, und Oda schrie auf.
    »Sonst halten wir uns damit die Ratten vom Leib«, erklärte Dorimbur. »Es scheint aber auch gegen Leseratten zu helfen.«
    Oda rieb sich den Arm und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Immer wollte sie so stark sein wie ihre Brüder, jetzt hatte sie die Gelegenheit, es zu beweisen. Nelf nahm sie in den Arm, und Tislo rückte näher an sie heran. Sie wusste die Fürsorge ihrer Brüder zu schätzen, aber um nicht als die kleine Schwester dazustehen, die getröstet werden musste, pulte sie mit grimmigem Gesicht den verbrannten Stoff aus der Stelle ihres Umhanges, wo die Fackel sie getroffen hatte. Das helle Hemd darunter hatte die kurze Berührung mit dem Feuer überstanden und wies nur ein paar Rußflecken auf.
    Den Rest der Fahrt über sprachen die Halblinge kein einziges Wort mehr. Für heute hatten sie genug Zwergenweisheiten gehört und ihre Konsequenzen gespürt.
    Schon eine Viertelmeile, bevor sie das Ende des Hauptstollens erreicht hatten, zeigte sich der Ausgang als gleißendes Viereck wie ein quadratischer Mond

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