Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
die zäh in den Schädel zurücktropfte. Er hielt sie Milo hin, der angewidert zurückzuckte. Der Troll wischte sich den Brei mit dem Finger selbst ins Gesicht und setzte anschließend eine gespielt zufriedene Miene auf.
»Ich glaube, er will dir helfen, Bonne«, erklärte Milo.
»Helfen im Sinne von Hilfe? Oder dabei helfen, gut zu schmecken?«, erkundigte sich Bonne unsicher.
Der Troll wartete nicht ab, bis seine Gefangenen sich über seine Motive im Klaren waren. Er griff mit der Klaue in den Schädel und holte den Schleim hervor. Im nächsten Moment hatte Bonne die klebrige Masse im Gesicht.
»Bitte sag mir, dass es keine leckere Gewürzpaste ist«, jammerte er, hielt aber still.
Im Nu war Bonnes Gesicht zugekleistert. Der Troll warf die nun leere Schädeldecke über den Halbling hinweg zu den anderen Gebeinen und zog sich wieder auf seinen Platz zurück.
»Es kühlt wunderbar«, verriet Bonne überrascht. »Weißt du was, Milo? Ich glaube, das ist gar kein Troll.«
»Findest du nicht, solche Einschätzungen solltest du lieber jemandem überlassen, der sehen kann?«, antwortete Milo. »Er sitzt genau vor mir, und ich wüsste nicht, was er sonst sein sollte.«
»Hast du vergessen, Trolle verwandeln sich am Tag in Stein. Soweit ich mich erinnere, war es Tag, als uns das Ding überfiel.«
»Ich bin eine Trollfrau«, knurrte das Wesen. »Mein Name ist Uschma. Sieh her, ich glaube, eure Frauen haben auch solche Zitzen.« Die Trollin packte ihre schlaffen Brüste und wog sie in den Pranken. »Nur Kriegertrolle verwandeln sich in Stein, damit ihr Blut aufhört zu kochen«, erklärte Uschma. »Hier sieh, keine Rute zum Kindermachen.«
»Cephei, ich danke dir, dass du mir diesen Anblick ersparst«, keuchte Bonne, während sich Milo mit weit aufgerissenen Augen unfreiwillig davon überzeugte, das Uschma die Wahrheit sprach.
»Ihr solltet euch jetzt ausruhen. Morgen werden wir reden.«
An Ausruhen war natürlich nicht zu denken, aber Bonne und Milo reichte es schon für den Moment, erst einmal in Ruhe gelassen zu werden. Nach und nach gingen Bonnes Schwellungen zurück, und er konnte wieder sehen, was ihm neuen Grund lieferte, den Rest der Nacht zu jammern.
Milos Gedanken hingen an den Geschehnissen der letzten Tage. Wie konnte sich jemals alles wieder zum Guten wenden? Hatte Cephei vergessen, über das kleine Volk zu wachen? Sie musste doch besser wissen als jeder andere, dass Halblinge nicht für Abenteuer gemacht waren. Ein Sprung vom Baum in einen Heuwagen, ein gewagter Seilakt über einem Hühnerhaus oder das Klettern in der Seufzerschlucht war schon mehr, als man den meisten zutrauen durfte, aber das hier überstieg alles. Auf ein gutes Ende war nicht zu hoffen. Vielleicht auf eines, das nicht so sehr schmerzte.
11. DORN
Dorn lehnte neben dem Fensterdurchbruch im ersten Stock des verlassenen Gebäudes, kaute an einer Scheibe durchwachsenen Speck und warf zwischen jedem neuen Bissen einen Blick hinaus auf die Straße. Rauchsäulen stiegen im Süden und Osten über den Dächern auf, und die Straßen waren so gut wie leer gefegt. Nur einige Händler schafften eilig Waren, die sie sonst vor ihren Läden in Kisten oder gezimmerten Gestellen den Passanten feilboten, zurück in die Geschäfte oder in eine der großen bewachten Lagerhallen im Norden. Wäre der Himmel nicht strahlendblau gewesen und der Wind nicht nur ein laues Lüftchen, hätte Dorn auf ein heranziehendes Unwetter getippt. So jedoch war es ein wunderbarer Herbsttag und Dorn mit seinem Latein am Ende.
»Was mag dort draußen wohl vorgehen?«, schnaubte er verbittert.
»Wir würden es mitbekommen, wenn du es nicht vorgezogen hättest, einen Regorianer in aller Öffentlichkeit abzuschlachten«, erwiderte Senetha, die mit dem Rücken gegen eine der kahlen Steinwände gelehnt saß und ihren Umhang mit Nadel und Faden flickte. »Was denkst du, was wir jetzt tun sollen? Sie werden uns so lange jagen, bis sie uns gefunden und unsere Köpfe am Nordtor auf Speere gespießt haben. Ich weiß nicht genau, ob dir klar ist, was du getan hast. Diese Kerle sind nicht gerade dafür bekannt, großzügig über den Tod eines ihrer Kameraden hinwegzusehen. Aber selbst wenn die Krieger es täten, die Tempelpriester werden es mit Sicherheit nicht vergessen. In ihren Augen hast du Regor direkt ins Gesicht gespuckt. Für sie ist es Gotteslästerung, einen der Streiter Regors zu töten. Ein einfacher Mord an einem Niemand hätte im Laufe der Zeit in Vergessenheit
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