Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
nicht verlassen vorkam und an dem teilhaben konnte, was Milo sah, beschrieb er ihm alles.
»Der Troll hat uns in seine Höhle geschleppt«, flüsterte er seinem Bruder zu. »In der Mitte hängt ein großer gusseiserner Kessel über einer erloschenen Feuerstelle.«
»Sag mir bitte, dass er nicht groß genug ist, damit einer von uns hineinpasst«, zischte Bonne.
»Doch, ist er«, stöhnte Milo. »Wir passen sogar gemeinsam hinein. Neben dem Eingang hängt eine Fackel, und in einer Ecke ist so etwas wie eine Lagerstätte aus Fellen. Die Wände und die Decke scheinen aus Lehm zu sein, in die jemand Symbole und Zeichen geritzt hat. Ich habe mir eine Trollhöhle immer ganz anders vorgestellt. Nicht so wohnlich.« Milo zog scharf die Luft ein. »Ich nehme alles zurück. Das hier ist definitiv eine Trollhöhle.«
»Sag schon, was siehst du?«, drängte Bonne ihn.
Milo musste schlucken. »Die Wand hinter uns ist eingestürzt. Alles liegt voll von Kochen und Schädeln. Es sieht aus, als wären sie aus der Erde herausgespült worden. Die meisten von ihnen scheinen menschlich zu sein. Oh, pfui«, keuchte er. »Gleich hinter dir liegt ein Haufen Gebeine, die noch nicht so alt sind. An einigen ist noch Fleisch dran. Sieht aus wie abgenagt.«
Bonne rückte sofort etwas näher an seinen Bruder heran. Sein Gesicht war immer noch dick angeschwollen, und die Haut glänzte rot und war mit Quaddeln übersäht.
»Ich hasse Trolle«, zischte Bonne angeekelt.
Ein tiefes, verachtendes Grollen erfüllte den Raum.
»Sag mir jetzt bitte, dass er nicht direkt vor mir steht«, jammerte Bonne flüsternd.
»Tut er nicht«, erwiderte Milo. »Er sitzt.«
»Sieht er uns an?«
»Ja, er stiert die ganze Zeit schon zu uns herüber. Ich glaube, er will sehen, was wir als Nächstes tun.«
»Und, was tun wir als Nächstes?«, fragte Bonne. »Glaubst du, es würde ihm gefallen, wenn wir ein wenig singen und tanzen? Vielleicht finden Trolle das lustig.«
Milo war sich sicher, das Trolle singen und tanzen hassten. Bonne musste wirklich verzweifelt sein, um das vorzuschlagen. Das Einzige, was sie zu mögen schienen, war, Rotbluter zu jagen und zu töten. Hätte es irgendetwas gegeben, was er dagegen tun könnte, hätte er keinen Moment gezögert. So jedoch blieb ihm nur übrig, zu Cephei zu beten, doch bezweifelt er, dass sie ihn hier unten hören konnte.
Der Troll beugte sich plötzlich vor, stützte sich auf die sehnigen Arme und schob den Oberkörper über den Kochtopf. Dabei kam er fast so nah heran, dass Milo ihn hätte berühren können. Der Troll besah sich Bonne genau und stieß ein verächtliches Schnauben aus. Fauliger Atem schlug den beiden Halblingen ins Gesicht.
»Sag mir, dass das nur ein Windstoß war«, winselte Bonne.
Das Ungetüm zog sich wieder zurück und beugte sich hinüber zur Lagerstätte, wo es unter den Fällen etwas zu suchen schien. Dabei kehrte es seinen Gefangenen den Rücken zu.
Für einen kurzen Moment kam Milo in den Sinn, zu flüchten, doch dann verwarf er den Gedanken schnell wieder. Trolle waren viel schneller als Halblinge, und ohne seinen Bruder würde Milo nirgendwo hingehen. Nein, ihm musste etwas Besseres einfallen, etwas, das den Troll nicht erzürnen, sondern besänftigen würde, wenn dies bei einem solchen Ungeheuer überhaupt möglich war.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Bonne verunsichert.
Jetzt erst nahm Milo es auch war. Es klang wie das Schleifen einer Klinge auf Stein oder das Schreiben mit Kreide auf Schiefer. Milo hoffte inständig, dass es Letzteres war. Er beugte sich weit zur Seite, um sehen zu können, was der Troll da tat.
»Er hat einen halben Schädel in der Pranke. Und in der anderen hält er einen langen Stein, mit dem er darin …«
»Warte, warte«, zischte Bonne, »ich will es doch lieber nicht wissen.«
Milo ersparte ihm weitere Einzelheiten.
Der Troll kehrte wieder an seinen Platz zurück und beugte sich abermals zu seinen Gefangenen vor. In der einen Hand hielt er immer noch den halben Schädel.
»Wage es nicht, meinem Bruder auch nur ein Haar zu krümmen, du Untier, sonst bekommst du es mit mir zu tun«, knurrte Milo, ohne eine Ahnung zu haben, wie er seiner Drohung Nachdruck verleihen sollte, geschweige denn, wie er sie praktisch in die Tat umsetzen würde.
Der Troll funkelte ihn mit bösen Augen an, dann tippte er mit einer seiner Klauen in die Schädelhälfte. Als er sie wieder daraus hervorzog, klebte eine übel riechende braune Flüssigkeit daran,
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