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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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einfache Leute dich verstehen?«, fuhr er Narik an. »Es ist ja kein Wunder, das euer Funke Jahre gebraucht hat, um zu entflammen. Erzähl uns einfach, was passiert ist.«
    »Verzeiht, ich vergaß, mit wem ich spreche«, entschuldigte sich Narik. »In Euren Kreisen ist man eher an gebellte Befehle gewöhnt.«
    Dorn trat mit geballter Faust auf Narik zu. »Das Einzige, was gleich kreisen wird, ist meine Faust.«
    Senetha hielt ihn zurück, und er ließ sich auf den Schlichtungsversuch bereitwillig ein.
    »Dorn, er ist blind«, ermahnte sie ihn.
    »Stumm wäre mir lieber«, grummelte er. »Nun erzähl schon, was ist passiert?«
    Narik ließ sich kein zweites Mal bitten, die Geschichte seines Erfolges wiederzugeben: »Die Priester hatten ihre Regorianer ausgesandt, eine junge Magierin zu verhaften und zum Verhör zu bringen. Sie soll sich durch den Besitz heidnischer Symbole verdächtig gemacht haben. Doch anstatt sich den Schlägern zu ergeben und der Folter ins Auge zu sehen, widersetzte sie sich der Verhaftung. Es kam zum Kampf, der damit endete, dass zwei Regorianer schwer verletzt zu Boden gingen und einer starb. Die Magierin entkam durch eine List.«
    Senetha zupfte Dorn aufgeregt am Ärmel des Mantels, und auch die jungen Begleiter von Narik schienen ihrem Anführer etwas sagen zu wollen.
    »Das ist ja unglaublich!«, rief Dorn etwas zu laut, um glaubwürdig zu wirken. »Eine Magierin allein hat das getan?«
    »Ja, in Begleitung eines Schülers oder ihres Dieners«, bestätigte Narik. »Auch ihm hat sie das Leben gerettet. Die Regorianer machen auch vor den Schwachen und Hilflosen keinen Halt.«
    »Da kann er ja richtig von Glück sagen, so eine mutige und schlagkräftige Herrin zu haben«, grollte Dorn und schlug zu.
    Senetha konnte ihn nicht zurückhalten, und auch Nariks Anhänger standen nur da und sahen empört und hilflos zu, wie ihr Meister zu Boden ging.
    Dorn war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, als Narik bereits eine Viertelstunde später wieder zu sich kam. Der Söldner hatte schon bessere Treffer gelandet und mehr Zuspruch dafür erhalten. Stattdessen waren alle Anwesenden entrüstet von seinem groben Verhalten. Abwechselnd kümmerten sie sich rührend um den zu Boden gegangenen Mann, während die, die nicht bei dem Blinden hockten, die Zeit nutzten, Dorn Vorwürfe zu machen und ihn mit herablassenden Blicken zu strafen.
    Ein kleiner Trost blieb ihm jedoch. Nariks Nase würde für den Rest seines Lebens von dieser Begegnung berichten.
    »Seid Ihr es wirklich?«, stöhnte Narik, als er das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
    »Wenn du mit ›ihr‹ uns meinst, ja«, bluffte ihn Dorn an.
    »Man hatte mir berichtet, dass Ihr die Stadt verlassen hättet. Ich danke Regor auf Knien, das es nicht so ist. Ich habe gebetet, dass er Euch zu mir führt.«
    »Dann erhört er deine Gebete besser als meine«, schnaubte Dorn.
    Nariks Anhänger halfen ihm, wieder auf die Beine zu kommen. Die gebrochene Nase, die aufgeplatzten Lippen und das ganze Blut, das an seinem Kinn herunterlief und im dicken Leinenstoff seines Umhanges versickerte, schienen ihn kaum noch zu kümmern. Dorn hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so euphorisch war, nachdem man ihn niedergeschlagen hatte.
    »Ihr müsst mit uns kommen. Es gibt so viele Menschen in dieser Stadt, die Euren Zuspruch brauchen. Wenn Ihr ihnen erzählt, welches Unrecht Euch widerfahren ist, und sie dann hören, wie Ihr Euch gegen die Regorianer zur Wehr gesetzt habt, werden sie Eurem Beispiel folgen. Zu Scharen werden sie auf die Straße ziehen und sich von dem Joch des Glaubens befreien. Bitte begleitet mich.«
    Senetha sah Dorn hilflos an. In ihren Augen sah er, dass sie mit sich haderte. Das, wovon Narik erzählt hatte, war kein Geheimnis. Die Regorianer waren eine Geißel für die Menschen. Glauben wurde nicht erbeten, sondern erzwungen. Zu viel Ungerechtigkeit war schon geschehen, um es wiedergutzumachen. Das Bild dessen, was ein Gott eigentlich sein sollte, ein Tröster, ein Retter, ein Hoffnungsbringer, war zunichte gemacht worden, und an seine Stelle war ein Gott getreten, den man nur zu fürchten hatte.

12. MILO
    An Schlafen war überhaupt nicht zu denken. Bonne und Milo hatten die ganze Nacht auf dem harten Boden gelegen und an die Decke gestarrt. Keiner von beiden hatte sich getraut, die Trollfrau anzusehen. Es war schon schlimm genug, ihren bohrenden Blick zu spüren. Bonne hatte sich von Zeit zu Zeit zur Seite gerollt, um nachzusehen, ob die

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