Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
ein Dutzend Fragen auf der Zunge, aber er traute sich nicht, auch nur eine von ihnen zu stellen. Stattdessen nickte er nachdenklich.
Xumita schien zu merken, dass die ganze Situation etwas verfahren war, und lenkte ein: »Wie euch unschwer aufgefallen sein dürfte, bin ich ein Heiliger Priester der Goblins. Es ist unschwer zu erraten, was passieren würde, wenn ich plötzlich vor den Toren von Zargenfels stünde.«
Milo hatte einige Schwierigkeiten, sich das vorzustellen, denn seiner Meinung nach würde es Xumita Latorinsis nicht einmal bis in die Nähe der Stadtmauern schaffen. Irgendwelche Söldner oder Jäger hätten ihn wahrscheinlich getötet, lange bevor er aus dem Wald herausgekommen war. Dennoch nickte er.
»Also habe ich Uschma in meine Aufgabe eingeweiht. Sie versprach mir, einen Ungläubigen zu fangen, der stattdessen nach Zargenfels reisen kann, ohne Verdacht zu erwecken. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen«, Xumita Latorinsis zeigte auf denkleinen Knochenhügel in der Haupthöhle der Trollin, »wurdet ihr jetzt für diese Aufgabe ausgewählt.«
Milo konnte sich vorstellen, wie diese fehlgeschlagenen Versuche zustande gekommen waren. Nicht alle Vertreter der unterschiedlichen Völker ließen sich so bereitwillig gefangen nehmen wie zwei verängstigte Halblinge. Hätte Milo ein Schwert gehabt, säßen sie vielleicht jetzt nicht hier, sondern hätten sich zu den Gebeinen in der Ecke gesellt.
»Wir sollen also für euch nach Zargenfels gehen?«, zog Milo das Resümee.
Xumita Latorinsis nickte sichtlich zufrieden.
»Und dann?«, fragte Milo. »Wer oder was soll dieses Lamm der Mutter denn sein?«
Der Schamane zog eine Augenbraue hoch.
»Woher soll ich das wissen?«, schnaubte er. »Es ist eure Aufgabe, also findet es selbst heraus.«
Er hatte sich etwas mehr Informationen erhofft. Der Schamane redete mit so einer Sicherheit von Müttern, Zweitgeborenen, Tempeln und Städten, dass es Milo nicht in den Sinn gekommen war, dass der Goblin genauso ahnungslos war wie er.
»Hat Euch der Zweitgeborene nicht ein Zauberschwert oder einen anderen magischen Gegenstand überreicht, wenn ihr für ihn in den Kampf ziehen sollt?«, fragte Bonne urplötzlich.
Milo hatte damit gerechnet, dass sein Bruder wieder Schläge einstecken würde, doch stattdessen schubste Xumita Latorinsis einen seiner Begleiter vor und zeigte auf die vielen Gebeine im hinteren Teil der Höhle.
»Bring jedem von ihnen eines der heidnischen Symbole. Damit sollten sie ein Lamm der Mutter finden. Es ist das Erkennungszeichen der Mutter aus der Zeit der frühen Tage.«
Der Goblin stolperte unbeholfen vor und warf den beiden Halblingen einen erbosten Blick zu. Mit der Fackel in einer Hand und einem dünnen, abgewetzten Dolch in der anderen, stand er vor der eingestürzten Höhlenwand und betrachtete angestrengtdie Gebeine der Toten. Als er gefunden hatte, wonach er suchte, steckte er die Fackel in den Boden und setzte vorsichtig einen Fuß zwischen die Knochen. Mit dem Dolch schob er einige verrottete Stoffreste beiseite. Dann stocherte er mit der Spitze zwischen den Gebeinen herum und zog eine lange angelaufene Kette hervor, an dessen Ende ein Medaillon hing. Dann fischte er noch einen Ring aus den Gebeinen. Am ausgestreckten Arm hielt er die Kette den Halblingen hin. Als keiner von ihnen danach griff, ließ er sie von der Klinge rutschen und zu Boden fallen.
Milo und Bonne betrachteten das Medaillon. Es war schwarz angelaufen, vermutlich befand sich unter der Patina Silber. Vorsichtig streckte Milo die Hand danach aus. Mit Daumen und Zeigefinger zog er das Symbol an der Kette in die Höhe und ließ es vor seinen Augen baumeln.
»Hübsch«, sagte Bonne. »Ein bisschen schmutzig und etwas zu schwer für meinen Geschmack, aber zu deinem Gewand passt es vorzüglich.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, da warf der Goblin auch den zuvor geborgenen großen Siegelring vor ihnen in den Staub. Dieser schien aus Gold zu sein. Obwohl er matt und zerkratzt war, schimmerte er immer noch golden. Das Siegel des Ringes zeigte das gleiche Symbol wie das Medaillon. Im Grunde genommen war es ein Kreis, der von unregelmäßigen Linien, Zacken und Kurven durchzogen war.
Bonnes Beschreibung hatte ins Schwarze getroffen. Hübsch war das richtige Wort, denn ansonsten sagten die Linien Milo rein gar nichts. Es schien sich bei dem Symbol weder um einen Buchstabe noch eine Rune zu handeln. Sollte das Muster wirklich etwas darstellen, war es zu abstrakt, als
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