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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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war normal, wenn es um einen entlaufenen Gefangenen ging, doch die Beine so zu bewegen, dass nicht mindestens eines von ihnen fest am Boden stand, war ehrlos für einen Zwerg. Rubinia hatte von längst vergangenen Schlachten zwischen Elfen und Zwergen gehört. Selbst in dieser Situation waren die Zwerge angeblich brüllend und schnaubend, aber im ruhigen Marsch auf die Reihen der Gegner zumarschiert.Die Geschichtenschreiber verglichen den Angriff eines Zwergenheers mit einem Lavastrom   – behäbig und zäh, aber unaufhaltsam und tödlich.
    Rubinia verlangsamte das Tempo etwas. Sie schienen aus der Schussreichweite der Zwerge heraus zu sein, somit gab es keinen Grund, mit der halsbrecherischen Fahrt weiterzumachen. Es würde genügen, Malwin nur einen Deut schneller trotten zu lassen, als ein Zwerg rennen konnte. Bald würden ihre Verfolger aufgeben und zu dem Tross zurückkehren, wenn sie es nicht schon getan hatten, dachte Rubinia.
    Der Weg führte in einem weiten Bogen nach Westen. Rubinia kannte die Senke. Hier gab es die besten und größten Pilze im ganzen Düsterkrallenwald. Jedes Jahr im Herbst zog sie zusammen mit Meister Othman und den Tunnelgnomen hierher und sammelte so viele Steinpilze, Butterhütchen, Parasolpilze und Nusskremplinge, wie sie fanden. Meistens stand Rubinia danach zwei oder drei ganze Tage in der Küche, um alle Pilze einzumachen. Der Vorrat reichte dann bis zum nächsten Herbst. Dieses Jahr jedoch würde das große Pilzesammeln wohl ausfallen. Die schaurigen Ereignisse in Eichenblattstadt und die ungewisse Zukunft ihrer Neffen machten jeden Gedanken an einen Ausflug ins Grüne zunichte.
    Mit etwas Glück würden sie Eichenblattstadt morgen Mittag erreichen. Rubinia erinnerte sich, wie sie im letzten Jahr versucht hatte, den Magier davon zu überzeugen, ins Halblingsdorf zu reisen. Othman hatte sich nach längerem Hin und Her überreden lassen. Später im Dorf hatte er verkündet, für alle Bewohner Eichenblattstadts ein Pilzragout zu machen. Rubinia, die Gnome und einige Frauen des Dorfes hatten beim Säubern, Putzen, Braten und Kochen geholfen. Das Essen war ein voller Erfolg gewesen und hatte bis in die frühen Morgenstunden angedauert, obwohl es zu der Zeit schon recht kalt geworden war. Rubinia dachte gern an das Fest zurück, doch es war schuld daran, das ihre Pilzvorräte in diesem Jahr schon im April zu Ende gegangen waren.
    Sie wandte sich kurz nach hinten, um zu sehen, wie es ihren Mitreisenden ging. Aschgrau saß an die Seitenwand gelehnt und stierte gelangweilt auf das Halblingsmädchen, dessen Hände sich an die Rückwand des Karrens klammerten, und die wie ein Späher über den Rand nach hinten Ausschau hielt.
    »Wie heißt du?«, fragte Rubinia die Fremde.
    »Oda«, antwortete sie kurz.
    In diesem Moment durchfuhr ein stechender Schmerz Rubinias Oberschenkel. Ein Bolzen hatte sie gestreift und einen klaffenden Schnitt am Bein hinterlassen. Der Stoff um die Wunde herum sog sich binnen eines Herzschlags mit Blut voll. Der Bolzen steckte eine Hand breit neben ihr im Holz der Sitzbank. Der Schaft zeigte in gerader Linie einen Hang hinauf. Rubinia fuhr herum und starrte in die Richtung, aus der der Schuss gekommen sein musste. In Schattierungen von Grau, Schwarz und Nachtblau erhob sich ringsherum die Böschung, deren steile Hänge die Senke umschlossen.
    Die Zwerge kennen sich hier gut aus , wurde es Rubinia bewusst. Der Pfad, dem sie durch den Düsterkrallenwald folgten, schlängelte sich wie ein Fluss durch eine Felsenlandschaft. Zu Fuß konnte man etliche Abkürzungen nutzen, wenn man das Gelände kannte.
    Äste brachen, und Laub raschelte. Ihre Verfolger waren zwar nicht zu sehen, aber sie kamen eindeutig näher.
    »Los, Malwin!«, rief Rubinia dem Maultier zu. »Zeig ihnen, was noch in dir steckt.«
    Noch nie hatte sie sich sehnlicher gewünscht, dass ein Tier sie verstand. Aber um jedes Missverständnis auszuräumen, schwang sie die Gerte und gab dem Maultier damit den richtigen Ansporn. Malwin riss den Kopf hoch, schnaubte und verfiel in einen leichten Galopp. Oda und Aschgrau wurden auf dem Karren hin und her geworfen.
    Alles Scheuchen und Treiben half nichts. Die Zwerge waren bereits vor ihnen. Rubinia sah im fahlen Mondlicht, wie fünfzig Schritte voraus am Wegesrand das Unterholz durchbrochenwurde. Dann traten zwei dunkle massive Schatten auf den Weg und blockierten die Durchfahrt.
    Rubinia umklammerte die Gerte fester und ließ das Ende auf Malwins Hinterteil

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