Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
Vom Netzwerk:
aufrecht halten. Für einen kurzen Moment schien es so, als hätten sie es geschafft. Dann krachte der Karren über eine armdicke, vom Regen freigespülte Wurzel. Das lädierte Rad brach in sich zusammen wie die getrocknete Blüte einer Lampionpflanze. Die Welt um sie herum geriet aus den Angeln. Das Maultier brüllte und wurde von den Hufen gerissen. Der Karren brach auf die Achse herunter, drehte und überschlug sich. Der Lärm von berstenden Ästen, splitternden Brettern mischte sich mit panischen Schreien und erfüllte die Nacht.
    Rubinia vermochte nicht zu sagen, ob sie das Bewusstsein verloren hatte, aber wenn, dann konnte es nur für einen Augenblick gewesen sein. Sie lag mit dem Gesicht auf der kalten nassen Erde. Irgendetwas Hartes drückte sich in ihren Rücken und hinderte sie daran, hochzukommen. Die Schussverletzung an ihrem Bein schmerzte höllisch.
    Ein kleiner lederner Spitzschuh trat direkt vor ihrem Gesicht in den kläglichen Rest einer Pfütze. Der Gestank von Leder und Schweiß übertünchte selbst die Gerüche der Natur. Aus dem Schuh ragte ein zierlich felsgraues Bein heraus.
    »Hilf mir, Aschgrau«, krächzte Rubinia, »Ich stecke fest.«
    Der Tunnelgnom blieb stehen, doch anstatt ihrer Bitte nachzukommen, zerrte er an dem ledernen Beutel, den er die Fahrt über bewacht hatte wie seinen Augapfel.
    »Hörst du nicht, Aschgrau? Du sollst mir helfen«, wiederholte sie fast flehend.
    Othmans persönlicher Assistent schien sie nicht hören zu können, oder er wollte es nicht. Er zerrte weiterhin an seinem Säckchen, das sich zwischen den Trümmern des Karrens verhakt hatte.
    Plötzlich war auch Oda neben ihnen. Sie packte den Tunnelgnom grob an der Schulter.
    »Hast du nicht gehört, du hässlicher Gnom«, schnauzte sie ihn an. »Deine Herrin braucht Hilfe.«
    »Sie ist nicht meine Herrin«, knurrte er.
    Dennoch fügte sich der Tunnelgnom der Anweisung. Zusammen befreiten sie Rubinia aus den Trümmern und halfen ihr auf die Beine. Keiner der drei hatte bei dem Sturz mehr als ein paar Prellungen oder Hautabschürfungen davongetragen. Nur Malwin lag noch immer auf der Seite und schnaubte erschöpft.
    »Kommt, wir müssen ihn hochbekommen, sonst werden wir den Rest der Strecke zu Fuß laufen müssen«, erklärte Rubinia.
    Der alte Maulesel schlug mit allen vier Hufen gleichzeitig aus, als sie sich ihm näherten. Schaum stand ihm vor dem Maul, und mit jedem Atemzug stob eine weiße Wolke aus seinen Nüstern.
    »Ganz ruhig, Malwin, wir wollen dir nur helfen«, versuchte Rubinia das Tier zu beruhigen. Langsam ließen seine Kräfte nach, und er strampelte nur noch etwas mit den Hinterläufen.
    Oda war die Erste, die sich näher heranwagte. Sie strich über Malwins Hals und gab ihm ein paar leichte Klapse auf die Schulterpartie. Rubinia nahm die Zügel in die Hand und zog vorsichtig.
    Malwins Kopf ruckte hoch, und beinah hätte er Oda umgestoßen, doch die junge Halblingsfrau wich behände zurück. Erneut versuchte das Tier, die Brust so weit herumzudrehen, dass es sich auf die Vorderbeine stemmen konnte. Fast hatte Malwin es geschafft, da fuhr ein Ruck durch seinen Körper und der Kopf desTieres schlug zurück auf den Boden. Aus seinem Hals ragte ein Bolzenschaft mit spärlicher Befiederung.
    »Weg hier!«, kreischte Oda. »Sie sind uns immer noch auf den Fersen.«
    Rubinia zögerte. Sie fühlte sich leer und erschöpft. Traurig sah sie auf Malwin herab. Der alte Maulesel gehörte nicht weniger zu Othmans Familie als sie. Flach und schnell ging seine Atmung. Dort, wo der Bolzen aus seinem Hals ragte, war kaum Blut zu sehen. Der Hinterlauf zuckte wie das Bein eines Hundes, der in einem Traum gefangen war. Rubinia fragte sich, ob auch jemand traurig wäre, wenn sie hier sterbend am Boden läge.
    »Ich bin verletzt«, keuchte sie und drückte die Hand auf die blutende Wunde am Oberschenkel. »Ich kann nicht mehr vor ihnen weglaufen.«
    »Ich werde dich stützen«, bot Oda ihr an. »Wie weit ist es bis zur nächsten Siedlung?«
    »Ohne Pferd und in meinem Zustand einen ganzen Tagesmarsch«, sagte Rubinia. »Wenn ich so lange durchhalte«, fügte sie fast gleichgültig hinzu.
    »Ihr solltet euer Leben nicht billig verkaufen«, sagte Aschgrau plötzlich. »Ich werde sie so lange aufhalten, bis ihr genügend Vorsprung habt. Ihr werdet es schaffen, und wir werden uns in Eichenblattstadt wiedersehen.«
    Der Tunnelgnom saß hinter den Trümmern des Karrens und umklammerte seinen Beutel.
    Rubinia war für einen

Weitere Kostenlose Bücher