Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
gekommen war.
»Sie haben kein Recht, so mit uns umzugehen«, schnaubte Rubinia. »So etwas können wir uns nicht gefallen lassen. Immerhin gelten hier andere Gesetze als in den Bergen.«
In diesem Moment sah sie, wie Nubert Furtfuß aus dem Haus kam. Er hatte seinen Hund dabei, einen etwas klein geratenen, aber kräftigen Fasanenbull. Äußerst übellaunige Tiere mit einem breiten Kopf, kurzer Schnauze und einem Maul, das ständig sabberte. Die Tiere wurden gern zur Jagd auf Fasane genutzt, daher auch ihr Name.
Der Hund zog so stark an der Kette, dass Nubert nichts anderes übrig blieb, als die Tür zu seinem Haus mit Schwung zuzuknallen, um sie nicht offen stehen zu lassen. Er brachte sein geliebtes Haustier kaum zur Raison und war gezwungen, im Laufschritt hinter ihm herzuhetzen. Der Hund schien die Neuankömmlinge nicht gerade zu mögen, was aber nicht ungewöhnlich war, da er jeden außer seinem Herrchen als Eindringling wahrnahm. Mit weit heraushängender blauer Zunge und Sabber versprühend, hielt das Tier auf die beiden Zwerge zu.
Auf halber Strecke blieb Nuberts Hund jedoch plötzlich stehen, steckte den Kopf in die Höhe und klemmte den Schwanz zwischen die Beine. Er schien etwas zu wittern, was ihm Unbehagen bereitete. Nun wendete sich das Blatt. Nubert stampfte vor und zog den Hund hinter sich her. Die Hinterbeine des Kläffers zitterten vor Angst bei jedem Schritt, den er widerstrebend machte. Er bekam die kurze Schnauze kaum vom Boden, und es sah aus, als würde Nubert ihn halb über den Boden schleifen.
Nubert riss den Arm in die Höhe und ballte die Faust, eine für ihn typische Geste. Jedermann in Eichenblattstadt wusste, was zu tun war, wenn der alte Eigenbrötler schlechte Laune hatte. Die Zwerge schienen jedoch äußerst unbeeindruckt zu sein.
Dann ging alles recht schnell. Nubert bückte sich, um der amBoden liegenden Nona Findlings zu helfen. In diesem Augenblick trat einer der Zwerge zu und traf den Halbling mit dem Fuß am Kopf. Nubert stürzte nach hinten und ließ die Kette aus seinen Fingern gleiten. Der Hund hetzte in Panik in die Richtung davon, aus der er gekommen war. Jedoch währte seine Flucht nicht allzu lange, da ihn ein Armbrustbolzen am Hinterlauf traf, der ihn fast von den Beinen riss. Auf drei Beinen humpelte der Fasanenbull weiter. Dann bohrte sich ein weiterer Bolzen in die Flanke des Tieres, und es brach zusammen. Der Zwerg, der Nubert den Tritt verpasst hatte, trat vor, zog seinen schweren Streithammer aus der Lederschlaufe, holte Schwung und schlug Nubert damit erst gegen den Kopf und dann ein weiteres Mal auf die Brust.
»Nein! Sie haben ihn einfach getötet«, keuchte Rubinia. »Diese verdammten Zwerge haben ihn umgebracht wie ein Stück Vieh.«
Gunder stand immer noch neben ihr am Fenster. Er sagte kein Wort, er stand nur da und schaute zu, wie die Zwerge Nona mit sich zum Brunnen zogen. Dann drehte er sich um, ging zu einer großen Eichentruhe, die neben dem Kamin stand, und holte ein Kurzschwert daraus hervor, das in ein braunes Leinentuch eingewickelt war.
»Was hast du vor, Gunder?«, fragte Rubinia ihn, obwohl sie die Antwort schon kannte.
Gunder blieb stehen und sah sie mit großen Augen, den Tränen nahe, an.
»Sie hatten mich gefragt, ob ich Butterblums Stellvertretung übernehmen würde, solange noch kein neuer Bürgermeister gewählt worden ist. Ich habe abgelehnt, weil ich nicht wusste, inwieweit Bonne und Milo in den Fall verwickelt sind. Nubert hat sich bereit erklärt, das Amt zu übernehmen. Nun liegt er tot auf dem Marktplatz, weil ich nicht Manns genug war, meiner Pflicht nachzukommen. Es wäre meine Aufgabe gewesen, die Zwerge zur Rede zu stellen. Das werde ich jetzt nachholen.«
Rubinia versperrte ihm den Weg.
»Du wirst gar nichts nachholen«, sagte sie. »Wann hast du das letzte Mal mit einem Schwert einen Kampf ausgetragen – beim Kürbisfest vor zehn Jahren, als Roswita noch lebte? Gegen eine Strohpuppe? Du würdest genauso enden wie Nubert. Denk mal an deine Kinder. Sie brauchen dich.«
Gunder ließ das Schwert sinken.
»Was sollen wir dann unternehmen? Warten, bis sie haben, was sie wollen? Wir wissen noch nicht einmal, warum sie hier sind. Wenn es nur um diese Oda ginge, hätten sie nur zu fragen brauchen. Die Halblinge haben sich noch nie gegen die Gesetze der Zwerge gestellt. Doch jetzt, wo sie Nubert getötet und Nona in ihrer Gewalt haben, können wir sie doch nicht einfach wieder ziehen lassen.«
Rubinia ging zurück zum
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