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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Fenster. Die beiden Zwerge standen am Brunnen neben der blattlosen Eiche. Sie hatten Nona mit dem Rücken an den Brunnen gesetzt. Sie atmete, schien aber nicht bei Bewusstsein zu sein. Grimmig blickten die Zwerge zwischen den Hütten von Eichenblattstadt umher.
    »Da muss noch ein dritter sein«, sagte Rubinia. »Nuberts Hund wurde von einem Armbrustschützen getötet. Er muss irgendwo da hinter ihnen im Gebüsch lauern.«
    Auch hinter den anderen Fenstern der Erdwallhütten um den Markplatz herum konnte Rubinia ängstliche Gesichter erkennen. Gunder hatte Recht, wenn es nur um Oda ginge, hätten die Zwerge nur fragen müssen. Wenn ihre Verurteilung rechtens war, hätte dem niemand in Eichenblattstadt widersprochen. Warum also kamen sie hierher und töteten Unschuldige?
    Einer der Zwerge trat wieder vor. Er stellte sich gut sichtbar für alle in die Mitte der Straße und hob die Arme wie ein Gladiator, der sein Publikum begrüßte. Auf sein Zeichen hin packte der andere Zwerg Nona an den Haaren, zog sie hoch und legte sie bäuchlings auf den Brunnenrand.
    Rubinia stockte das Herz. Auf befremdliche Art und Weise wurde ihr wieder bewusst, wie viel Kraft die Bärtigen besaßen.Eine Handvoll Halblinge war nicht einmal einem einzigen der Zwerge gewachsen.
    Aber irgendetwas stimmte dennoch nicht mit den Bärtigen. Sie bewegten sich hölzern, fast wie Marionetten.
    Rubinia geriet in Panik. Sie konnten nicht einfach zusehen, wie die Zwerge eine hilflose Frau umbrachten. Sie wirbelte herum. Schräg über dem Kamin hing eine Armbrust. Es war das Geschenk eines Großonkels gewesen, Onkel Tammet. Das gute Stück war nicht viel mehr als eine Handarmbrust, und wenn sie hätte wetten können, dann hätte sie darauf getippt, dass sie noch nie benutzt worden war. Gleich daneben hatte Gunder den Köcher mit Bolzen angebracht. Sie erinnerte sich noch an den Tag, als Othman sie das erste Mal besucht und sie noch hier im Haus bei ihrem Bruder gewohnt hatte, weil der junge Witwer jede hilfreiche Hand gebraucht hatte. Othman hatte damals einen längeren Blick auf die Armbrust geworfen und einen der Bolzen aus dem Wurzelholzköcher gezogen. Als er ihn zurücksteckte, hatte er nur ein einziges Wort gesagt: niedlich.
    Mit den Augen eines Menschen betrachtet, mochte das stimmen, doch darauf kam es nicht an. Ein Stilett konnte genauso tödlich sein wie ein Langschwert. Es kam nur darauf an, wer es führte   – und da lag das eigentliche Problem.
    Rubinia eilte zum Kamin, zog sich einen Stuhl heran, nahm Armbrust und Bolzen von der Wand und war im Nu wieder am Fenster. Mit beiden Füßen stellte sie sich auf die kurzen Wurfarme der Waffe und zog die Sehne durch, bis sie an der Arretierung festhakte. Sie riss die Armbrust hoch, legte einen Bolzen ein und zielte.
    »Was hast du vor?«, fragte Gunder entgeistert.
    Die Frage kam jedoch zu spät. Die Sehne surrte auf, das Fenster zersplitterte, und der Bolzen fand sein Ziel.
    Rubinia erschrak über sich selbst. Sie landete sozusagen einen Meisterschuss. Der Bolzen von einem halben Fuß Länge bohrte sich genau oberhalb des Brustpanzers durch den Hals des Zwergesund verschwand so weit, dass nur noch die spärlichen blassblauen Federn des Schaftes zu sehen waren. Es hätte ein finaler Treffer sein sollen, doch der Zwerg brach weder zusammen, noch umklammerte er im Todeskampf seinen Hals. Alles, was er tat, war zu brüllen, und selbst das klang nicht nach jemandem, der Todesqualen ausstand, sondern eher wie jemand, der sich furchtbar aufregte. Nichts Zwergisches lag in der Stimme, kein gesprochenes Wort kam über die Lippen des Bärtigen, nur ein monotones Gebrüll.
    Angst überkam Rubinia erneut. Es schien, als hätte sie etwas erweckt, von dem sie nie geglaubt hatte, dass es existiert. Doch sie traute sich nicht, es auszusprechen.
    Der Zwerg mit dem Bolzen im Hals gab Nona einen kurzen Stups, und die Halblingsfrau rutschte vom Brunnenrand und verschwand im Inneren.
    »Nein!«, brüllte Rubinia, mehr bekam sie jedoch nicht heraus, weil sie drohte, an dem Kloß in ihrem Hals zu ersticken.
    Der Zwerg am Brunnen fuhr herum und zeigte in Rubinias Richtung. Noch immer steckte der Bolzen in seinem Hals, doch es floss kein Blut aus der Wunde. Der andere Zwerg setzte sich in Bewegung, auf das Haus der Blaubeers zuhaltend. Mit dem Hammer in der Hand war es nicht schwer zu erraten, was er vorhatte. Ein halbes Dutzend Schläge würde reichen, und die schützende Tür wäre nur noch Brennholz.
    »Jetzt wird sich

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