Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
es genug, aber wegen der Dürre viel zu wenig Beeren, Früchte und Yamswurzeln. Vielleicht kannst du dem kadaicha Früchte und Gemüse anbieten, Boss.«
»Einverstanden, Ernie. Was immer er haben will.« Jack bezweifelte, dass Ernie etwas erreichen würde, aber er fand, es war einen Versuch wert.
»Dann reitet jetzt nach Hause und wartet dort«, sagte Ernie. »Wenn der kadaicha sich bereit erklärt zu kommen, werde ich ihn zur Scheune bringen.«
Abbey und Jack ritten zurück. Nachdem sie die Pferde in den Stall gebracht hatten, gingen sie in die Scheune zu Max, dessen Zustand sich nochmals verschlechtert zu haben schien, und setzten sich zu ihm. Eine Stunde verstrich, ohne dass etwas geschah.
»Warum dauert das denn so lange?«, klagte Abbey ungeduldig.
»Rechne nicht zu fest damit, dass Ernie den kadaicha überreden kann herzukommen, Abbey. Hunde bedeuten den Aborigines gar nichts. Sie sind für sie nicht so wichtig wie für uns. Die Hunde, die man in ihren Lagern herumschleichen sieht, benutzen sie zwar dazu, ihnen im Winter Wärme zu spenden, aber dafür geben sie ihnen nicht einmal ein anständiges Futter, sie werfen ihnen bloß ihre Essensreste hin, Knochen mit ein paar Fleischfetzen dran.«
Der Gedanke bedrückte Abbey. »Die abergläubischen Bräuche und die Anschauungen der Eingeborenen sind viel komplizierter, als ich dachte«, gab sie zu. »Ich hätte auf dich hören sollen.« Die Hoffnung, Max zu retten, schwand mit jeder Minute, und sie konnte sehen, wie sehr Jack litt. »Warum muss das Leben nur so grausam sein?«, flüsterte sie mit erstickter Stimme.
»Es gibt gute Zeiten, und es gibt schlechte Zeiten, Abbey. Es kann nicht immer nur in eine Richtung gehen.«
»Ja, ich weiß.« Sie dachte an ihren Vater und an Neal.
Jack drückte liebevoll ihre Hand. »Geh doch zu Bett, Abbey. Ich kann allein hier warten. Wenn sich etwas tut, werde ich dich rufen.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das war meine Idee, also werde ich das auch mit dir zusammen durchstehen.«
In diesem Moment erschien Elias in der Scheunentür. »Alles in Ordnung? Wie geht’s dem Hund?«
»Nicht gut«, antwortete Jack traurig.
»Willst du, dass ich ihn …?«
»Nein«, fiel Jack ihm ins Wort. »Leg dich schlafen, Elias. Hör zu, es kann sein, dass Ernie mit ein paar Stammes-Aborigines herkommt. Sag Ben Bescheid. Ich will nicht, dass ihr aus Versehen auf sie schießt.«
Elias blickte beunruhigt drein. »Wozu bringt er sie her?«
Jack machte eine wegwerfende Handbewegung. »Erklär ich dir morgen. Eine Bitte noch: Könntest du Frank Fox sagen, er soll einen großen Korb mit Früchten und Gemüse vors Scheunentor stellen?«
»Wofür?«, fragte Elias erstaunt.
»Ich werde dir alles morgen erklären.«
Elias schüttelte verwundert den Kopf und ging wieder.
Nicht lange danach wurde die Tür zur Scheune aufs Neue geöffnet. »Kannst du den Hund nach draußen bringen, Boss?«, fragte Ernie.
Als Abbey aufstand und hinausschauen wollte, stellte Ernie sich ihr in den Weg. »Sie dürfen sich nicht blicken lassen, Missus. Das ist eine heilige Zeremonie, an der keine Weißen teilnehmen dürfen.«
Verdutzt trat Abbey zur Seite und machte Platz für Jack, der Max in seiner Decke hinaustrug. Ernie machte die Tür hinter ihm wieder zu.
Abbey versuchte, durch die Ritzen zwischen den Brettern zu spähen, konnte aber nicht viel erkennen. Sie schaute sich um. Ihr Blick fiel auf die gestapelten Heuballen an der hinteren Wand und auf die Belüftungsklappe darüber. Vorsichtig kletterte sie die Ballen hinauf und öffnete die Klappe einen winzigen Spalt.
Draußen vor der Scheune war bereits ein Feuer angezündet worden. Jack bückte sich gerade, um den Hund wie angewiesen neben das Feuer zu legen. Abbey konnte einen älteren, weißhaarigen Aborigine sehen, der knochendürr und nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, sowie zwei ältere, ebenfalls spindeldürre Frauen. Sie sahen aus wie die beiden, die ihr auf dem Weg nach Clare begegnet waren, aber vermutlich täuschte sie sich. Sie hielten etwas in den Händen, aber Abbey konnte nicht erkennen, was es war. Nachdem Jack den Hund abgelegt hatte, schickten sie ihn weg. Jack zögerte, er ließ Max nicht gern allein, doch dann ging er zurück in die Scheune.
Er schloss die Tür hinter sich und blickte sich nach Abbey um.
»Pssst!«, machte sie.
Verwirrt, weil er sie nicht sah, drehte sich Jack um die eigene Achse.
»Hier oben!«, flüsterte sie und winkte.
Er schaute auf.
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