Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
er. Schweigend ritten sie weiter.
Es war fast dunkel, als Jack und Abbey auf die beiden eingeborenen Viehhirten stießen, die am Lagerfeuer saßen. Die Schafherde befand sich in unmittelbarer Nähe. Abbey konnte das leuchtende Rot von Josephines Halsband erkennen. Ein Lächeln ging über ihr Gesicht, als sie sah, wie sich das Lamm an seine Mutter drängte.
Ernie und Wilbur blickten erstaunt auf.
»Ist was passiert, Boss?«, fragte Wilbur.
Jack und Abbey stiegen ab. Als Jack keine Anstalten machte zu antworten, sagte Abbey: »Max geht es gar nicht gut, Ernie. Können Sie ihm nicht helfen?«
Ernie sah erst Jack, dann Wilbur an und starrte schließlich wieder ins Feuer. »Nein, Missus, ich kann nichts für ihn tun.«
Abbey war einen Augenblick sprachlos. »Aber es gibt doch sicher eine Buschmedizin, mit der man seine Wunde behandeln kann?«
Nach einem weiteren flüchtigen Blick auf Wilbur guckte Ernie abermals in die Flammen und schwieg.
Abbey, die sich dieses sonderbare Verhalten nicht erklären konnte, schaute fassungslos von einem zum anderen.
»Komm, Abbey, gehen wir«, sagte Jack leise.
»Nein!«, fauchte sie. »Max braucht unsere Hilfe.« Sie sah Ernie eindringlich an. »Warum wollen Sie Max nicht helfen? Ich will es wissen!«
»Ich kann ihm nicht helfen, Missus. Der Hund wurde vom Speer eines Aborigine getroffen.«
»Das weiß ich, aber was hat das damit zu tun?«
»Es könnte mich mein Leben kosten, wenn ich versuche, rückgängig zu machen, was er getan hat.«
Abbey war wie vom Donner gerührt, als sie das hörte. Sie fragte sich eine Sekunde lang, ob Ernie sie nicht ernst nahm, doch der Viehhirte blickte todernst drein. »Dann sagen Sie uns, was wir machen müssen, Ernie, und wir tun es.«
Ernie schüttelte den Kopf. »Geht nicht, Missus. Was geschehen ist, ist geschehen. Der Hund wird sterben.«
Abbey brach in Tränen aus. Die drei Männer wechselten einen bekümmerten Blick. Dann legte Jack tröstend seine Arme um Abbey und zog sie an sich.
»Wir können doch nicht einfach zusehen, wie Max stirbt, Jack«, schluchzte sie, das Gesicht an seine Brust gepresst. »Er hat doch gar nichts getan! Das hat er nicht verdient.«
Über ihren Kopf hinweg sah Jack zu Ernie hinüber. Im Schein des Feuers konnte er dessen bedrückte Miene erkennen. Er machte ihm keinen Vorwurf und war ihm auch nicht böse. Im Lauf der Jahre hatte er viel über die geheimnisvolle Macht des Aberglaubens und über die kultischen Bräuche der Aborigines gelernt. Er hatte kräftige, gesunde junge Männer sterben sehen, nur weil sie glaubten, sie seien mit einem Zauber belegt worden. Die Macht des Verstandes sprengte jedes Vorstellungsvermögen.
Plötzlich stand Ernie auf und kam näher. »Vielleicht gibt es jemanden, der dem Hund helfen kann, Missus«, murmelte er. »Ich kann es aber nicht versprechen.«
Abbey schaute auf und wischte sich die Tränen ab. »Wen meinen Sie, Ernie?«
»Ich spreche von einem kadaicha «, flüsterte er und guckte sich nervös um.
Abbey sah Jack fragend an.
»Der kadaicha ist ein Medizinmann, ein Heiler und Magier«, erklärte er. Da Ernie und Wilbur dem im mittleren Australien beheimateten Arabana-Clan angehörten, wunderte er sich ein wenig über den Vorschlag des Viehhirten. Er hatte nicht gewusst, dass Ernie Beziehungen zum hiesigen Koori-Clan oder dessen Medizinmann unterhielt.
»Der kadaicha ist der Einzige, der Max helfen könnte, aber ich weiß nicht, ob er das tun wird«, fuhr Ernie fort.
Wieder sah Abbey Jack an.
»Ein kadaicha ist ein weiser Mann, der beim Stamm größtes Ansehen genießt«, erklärte er. »Es kann sein, dass er sich weigert, einem Hund zu helfen.«
Dennoch klammerte sich Abbey an diese einzige Hoffnung, die ihnen geblieben war. »Können Sie ihn fragen, Ernie? Würden Sie das tun?«
Ernie wandte sich zu Wilbur um, und sie unterhielten sich in ihrer schnellen, kurzsilbigen Sprache, wobei sie immer wieder in verschiedene Himmelsrichtungen deuteten. Anscheinend konnten sie sich nicht einigen, wo dieser weise Mann zu finden war.
»Kann sein, dass du ihm etwas dafür geben musst, Boss«, sagte Ernie schließlich.
»Ein Schaf«, erwiderte Jack. »Einen von den Böcken.« Sie waren zwar wertvoll, aber nicht so wertvoll wie Max.
»Angehörige des hiesigen Stammes haben mir erzählt, Fleisch hätten sie reichlich«, sagte Ernie. Die einzelnen Clans sprachen zwar verschiedene Dialekte, konnten sich aber dennoch recht gut miteinander verständigen. »Kängurus gibt
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