Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
gearbeitet hatte, wollte man ihr Arbeit geben. Als sie den letzten Penny vom Lohn ihres Vaters aufgebraucht hatte, fiel ihr in ihrer Verzweiflung Paddy Walshs Rat ein, Mrs. Slocomb, die eine Pension in der Chapel Street besaß, aufzusuchen.
Ja, sie suche eine Putzhilfe, sagte Mrs. Slocomb und bot Abbey an, gleich am anderen Morgen anzufangen. Die Bezahlung war zwar schlecht, aber Abbey war froh, überhaupt eine Arbeit gefunden zu haben, und sagte erleichtert zu. Als sie nach Hause zurückging, dachte sie darüber nach, wie stolz ihr Vater auf sie wäre, weil sie imstande war, auf eigenen Füßen zu stehen, und wieder kamen ihr die Tränen. Sie vermisste ihren Dad ganz furchtbar.
Nach einer weiteren Nacht, in der sie nur wenig und sehr unruhig geschlafen hatte, machte sich Abbey früh am anderen Morgen auf den Weg zu Mrs. Slocomb. Diese erklärte ihr zu ihrem Erstaunen, dass sie sie leider doch nicht brauchen könne.
»Ich verstehe nicht, Mrs. Slocomb«, stammelte Abbey verwirrt. »Gestern haben Sie doch noch gesagt, ich könnte heute anfangen. Wieso haben Sie Ihre Meinung so plötzlich geändert?«
»Es tut mir sehr leid, Kindchen«, erwiderte Mrs. Slocomb mit sichtlichem Unbehagen. »Mein Mann und ich sind nach einem Blick in unsere Bücher zu dem Schluss gekommen, dass wir es uns momentan nicht leisten können, jemanden einzustellen.«
Abbey war bitter enttäuscht. Mrs. Slocomb konnte ihr nicht in die Augen sehen, und Abbey hatte das Gefühl, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Aber aus welchem Grund? Steckte Ebenezer Mason dahinter? In den vergangenen Tagen war ihr der Verdacht gekommen, dass möglicherweise er für all die Absagen verantwortlich war, die sie auf ihrer Arbeitssuche erhalten hatte. Andere junge Frauen aus der Creek Street hatten nämlich mühelos eine Stelle gefunden. Carrie Finch zum Beispiel war nur Stunden, nachdem Abbey dort abgewiesen worden war, im selben Geschäft eingestellt worden.
Mit hängendem Kopf trat sie den Heimweg an. Sah sie vielleicht nur Gespenster, und Ebenezer Mason hatte mit Mrs. Slocombs plötzlichem Sinneswandel gar nichts zu tun? Doch dann fiel ihr ein, dass Mr. Slocomb ebenfalls in der Mine gearbeitet hatte, bis er sich bei einem Unfall die Wirbelsäule gebrochen hatte und ein Krüppel wurde.
Je länger sie darüber nachdachte, desto überzeugter war sie, dass sie mit ihrer Vermutung Recht hatte. Ebenezer Mason wollte verhindern, dass sie Arbeit fand. Er hatte Macht und Einfluss in Burra, dessen Einwohner von der Kupfermine abhängig waren. Aber warum versuchte er, ihr zu schaden? Was hatte er davon? Und wie konnte er so grausam sein? Zu Hause angekommen verkroch sich Abbey in eine Ecke und fing an zu weinen.
Sie war noch nicht lange zurück, als sie jemanden nach ihr rufen hörte. Es war Vera Nichols.
»Hast du es schon gehört, Kindchen?«, fragte sie betroffen.
»Was gehört?« Abbeys Herz schlug schneller. Sie glaubte nicht, dass sie noch mehr schlechte Nachrichten verkraften würde.
Vera berührte ihren Arm. »Meg ist letzte Nacht gestorben.«
»O nein!« Abbey schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
»Es tut mir sehr leid, Liebes«, flüsterte Vera, die nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte. »Aber ich dachte, es ist besser, wenn du es von mir erfährst.«
Abbey schniefte. »Was … was ist mit Amy und Emily?«
»Ich hab gehört, man wird sie nach Adelaide in ein Waisenhaus bringen. Die armen kleinen Dinger!« Vera schüttelte traurig den Kopf, drückte Abbey tröstend die Hand und ging wieder.
Abbey schloss die Augen. Obwohl es absurd war, hatte sie das Gefühl, Neal im Stich gelassen zu haben. Hätte sie eine Arbeit gefunden, hätte sie Amy und Emily vielleicht bei sich aufnehmen und für sie sorgen können. Wem will ich denn etwas vormachen?, dachte sie dann aber. Ich bin nicht einmal in der Lage, für mich selbst zu sorgen.
Während sie darüber nachdachte, wie es weitergehen sollte, sah sie einen Mann, der sich der Erdwohnung näherte. Es war Ebenezer Masons Kutscher.
Abbey straffte sich. »Was wollen Sie hier?«, fragte sie kalt.
»Ich soll Ihnen eine Nachricht überbringen, Miss Scottsdale. Sie können doch lesen, hoffe ich?« Sein Ton war eine Spur herablassend.
Als Abbey nickte, reichte er ihr ein zusammengefaltetes Blatt Papier.
»Mr. Mason hat mir befohlen, auf Antwort zu warten«, sagte der Kutscher und entfernte sich einige Schritte.
Abbey faltete das Blatt auseinander und las:
Meine liebe Miss
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