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Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman

Titel: Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Scottsdale,
    mir ist klar geworden, dass ich gegenüber den Angehörigen der Arbeiter, die bei dem Grubenunglück ums Leben kamen, eine gewisse Verpflichtung habe. Obwohl das, was geschehen ist, höhere Gewalt war, werde ich mich meiner moralischen Verantwortung stellen. Aus diesem Grund möchte ich Sie heute Abend nach Martindale Hall einladen. Wir werden eine Entschädigung für den Verlust Ihres Vaters aushandeln. Mein Kutscher wird Sie herbringen.
    Ebenezer Mason
     
    »Höhere Gewalt! Dass ich nicht lache!« Zornig zerriss Abbey die Nachricht und ließ die Schnipsel zu Boden flattern.
    Der Kutscher musterte sie eisig. »Sie finden mich im Miner’s Arms, falls Sie Ihre Meinung ändern sollten. Ich werde bis halb sieben warten.« Damit drehte er sich um und ging davon.
    »Von mir aus können Sie warten, bis Sie schwarz werden«, knurrte Abbey.
    Vera Nichols, die sich mit Abbeys Nachbarin unterhalten hatte, hatte die Szene beobachtet und folgte Abbey in deren Wohnung.
    »War das nicht Mr. Masons Kutscher?«
    Abbey nickte. »Dieser Mensch glaubt, mit Geld kann er sich aus der Verantwortung stehlen.« Ihre Stimme zitterte vor Wut. »Eine Entschädigung will er mir anbieten! Am Tag, als mein Vater beerdigt wurde, hatte er die Frechheit, mir drei Pfund in die Hand zu drücken. Drei Pfund! Er ist wirklich der arroganteste, skrupelloseste, geldgierigste …«
    »Abbey«, fiel Vera ihr ins Wort, »Wenn Mr. Mason dir eine Entschädigung anbietet, solltest du zugreifen.«
    Abbey hatte Geld für ein anständiges Begräbnis gewollt, nicht für sich selbst. »Ich würde mir schlecht vorkommen, wenn ich Geld für das Leben meines Vaters nähme.«
    »Ich kann dich ja verstehen, und ich weiß auch, dass das Geld ihn nicht zurückbringen wird, aber du musst jetzt an dich denken. Du hast keine Arbeit gefunden, hab ich Recht?«
    »Ja, und das ist allein Masons Schuld! Ich bin überzeugt, dass er dafür gesorgt hat, dass niemand mich einstellt.«
    Vera sah sie nachdenklich an. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für einen Grund der Minenbesitzer haben sollte, so etwas zu tun. Abbey musste sich irren. »Abbey, wovon willst du leben? Entweder du nimmst Mr. Masons Geld, oder du wirst verhungern«, sagte sie beschwörend. »Oder aber, schlimmer noch, du wirst deinen Körper verkaufen müssen.«
    Abbey schnappte entsetzt nach Luft. »Das würde ich niemals tun! Wie können Sie so etwas sagen?«
    »Du wärst nicht das erste anständige Mädchen, dem gar nichts anderes übrig bleibt, wenn es essen und ein Dach über dem Kopf haben will, Abbey.« Eine beschämende Erinnerung, die sie seit vielen Jahren in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses verbannte, drängte sich mit Macht hervor. »Sei nicht dumm! Wenn er dir Geld anbietet, greif zu, mit beiden Händen! Stolz und Groll werden dich weder satt machen noch von diesem grauenvollen Ort wegbringen!«
    Abbey musste widerwillig zugeben, dass etwas dran war an Veras Worten. Sie befand sich in einer verzweifelten Lage, und von ihren Nachbarn konnte sie keine Hilfe erwarten – ihnen ging es kaum besser als ihr selbst. Sie sollte Ebenezer Masons Angebot nicht aus falschem Stolz ablehnen, sondern sein Geld nehmen und dafür sorgen, dass auch Amy und Emily, die verwaisten Zwillinge, ein hübsches Sümmchen zur Absicherung ihrer Zukunft erhielten.
    Schweren Herzens machte sie sich auf den Weg zum Miner’s Arms, wo der Kutscher auf sie wartete. Sie werde mitgehen, sagte sie, vorausgesetzt, er bringe sie später nach Burra zurück. Der Kutscher, der keineswegs überrascht schien, sie zu sehen, versprach es ihr. Kurze Zeit später waren sie unterwegs nach Martindale Hall.
     
    Abbey saß in der vornehmen Karosse, die über die staubige, holprige Straße durch offenes Land rollte, und starrte niedergeschlagen aus dem Fenster. Die langen Schatten des Spätnachmittags wichen abendlicher Kühle, aber Abbey bemerkte kaum, wie die Zeit verging. Sie musste unentwegt daran denken, wie sehr sich ihr Vater auf die Einladung nach Martindale Hall und die Fahrt zum Herrenhaus gefreut hatte. Doch das Schicksal hatte es anders gewollt: Einige wenige tragische Minuten hatten ihr Leben für immer verändert.
     
    Martindale Hall lag eineinhalb Meilen von der Stadt Mintaro entfernt. Als der Kutscher an der Zufahrt hielt, vom Kutschbock kletterte und das schmiedeeiserne Tor öffnete, bereute Abbey ihren Entschluss bereits. Nichtsdestoweniger riss sie staunend Mund und Augen auf, als sie die lange Auffahrt

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