Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
lieber Glasscherben gekaut, als gemeinsam mit diesem Mann zu Abend zu essen. »Ich bin nicht zum Essen hergekommen, Mr. Mason, sondern um mit Ihnen über eine Entschädigung zu sprechen«, sagte sie knapp.
Ebenezer lächelte merkwürdig. Abbey ahnte nicht, was ihm durch den Kopf ging, nämlich dass ihr ihr loses Mundwerk schon vergehen würde, wenn er sie erst einmal unter Kontrolle hatte. »Das weiß ich, meine Liebe.« Er zog einen Stuhl für sie heran. »Aber es ist Essenszeit, und wir müssen doch bei Kräften bleiben, nicht wahr?«
Abbey ärgerte sich maßlos über die Versuche des Minenbesitzers, sie zu manipulieren. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mit dem Mann, den ich für den Tod meines Vaters verantwortlich mache, zu Abend essen werde?«, fauchte sie.
Ebenezers grüne Augen wurden hart und eiskalt. »Wie Sie wünschen«, sagte er mit gespielter Geduld. »Aber Sie werden doch wenigstens Platz nehmen für unsere kleine geschäftliche Unterhaltung, nicht wahr?«
Etwas Drohendes lag in seiner Stimme, und Abbey zuckte innerlich zusammen. »Meinetwegen«, murmelte sie. Sobald alles geklärt war, würde sie dieses Haus so schnell wie irgend möglich wieder verlassen.
Ebenezer wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und stellte dann ein Glas Wein vor sie hin. Der Rebensaft funkelte im Kerzenlicht rubinrot. Abbey zögerte, nahm dann aber einen kräftigen Schluck in der Hoffnung, der Wein werde ihr Mut machen. Er schmeckte ein bisschen bitter, zeigte aber schnell Wirkung, und so trank sie noch einmal. Es dauerte nicht lange, bis eine wohlige Wärme sie durchflutete und ihre Beine ganz schwer wurden.
Ebenezer erzählte von Martindale Hall. Die Mauern seien aus Manoora-Quadern und stellenweise fast einen Meter dick, die Handwerker, die das Haus gebaut hatten, habe er aus England kommen lassen. Abbey, die an ihrem Wein nippte, hörte ihn bald nur noch wie aus weiter Ferne. Ihr war auf einmal furchtbar schwindlig, und ihre Arme und Beine fühlten sich schwer wie Blei an.
»Geht es Ihnen nicht gut, meine Liebe?«, fragte Ebenezer.
Abbey wandte sich ihm zu, blinzelnd und verwirrt, weil er so weit weg zu sein schien. Ein Mann stand neben ihm, den sie bisher nicht bemerkt hatte. Er sah aus wie ein Geistlicher.
»Wer sind Sie?«, nuschelte sie. Sie merkte selbst, wie sonderbar sich ihre Stimme anhörte. Sie erhielt keine Antwort, aber Ebenezer lächelte. Selbst mit ihrem umnebelten Blick konnte sie erkennen, dass es kein freudiges Lächeln war, sondern ein höhnisches, selbstgefälliges Grinsen.
Plötzlich wusste sie, dass sie in großer Gefahr schwebte.
4
Viele Stunden später wurde Abbey von einem gellenden Schrei unsanft geweckt. Sie öffnete schlaftrunken die Augen, blinzelte und sah verschwommen eine eilig flüchtende Gestalt. Es dauerte eine Weile, bis sie zu sich kam. Wo war sie hier? Sie lag nicht zu Hause auf dem strohgefüllten Jutesack auf dem Erdboden, auf dem sie normalerweise schlief, sondern auf einem viel weicheren Untergrund. Nach und nach dämmerte ihr, dass sie in einem sehr breiten Himmelbett lag und ein Nachthemd trug, das ihr nicht gehörte. Ihr Mund fühlte sich entsetzlich trocken an, und sie hatte Kopfschmerzen. Panik ergriff sie, als ihr klar wurde, dass sie sich in einem ihr unbekannten Zimmer befand. In der Ferne konnte sie hysterisches Geschrei hören.
Sie schaute zum Fenster hinüber. Die schweren Vorhänge waren seitlich zusammengebunden, aber da die Fensterläden geschlossen waren, drang nur wenig Licht ins Zimmer. Es war hell draußen, und das bedeutete, dass viele Stunden vergangen sein mussten seit der Begegnung mit Ebenezer Mason im Speisezimmer von Martindale Hall. Das war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte.
Abbey drehte langsam den Kopf auf dem dicken Kopfkissen und erkannte eine Gestalt neben sich. Die Stirn in Falten gezogen, blinzelte sie verwirrt, um besser sehen zu können.
»Dad«, flüsterte sie. Eine unbändige Freude erfasste sie. »Bist du das, Dad?«
Da die zwei Zimmer in ihrer Erdwohnung nicht durch eine Wand abgeteilt waren, war der Anblick ihres nebenan schlafenden Vaters nichts Ungewöhnliches für sie. Aber wie konnte das sein? Abbeys Verwirrung wuchs. Hatte sie alles nur geträumt? War sie aus einem bösen Albtraum erwacht und ihr Vater war noch am Leben?
Abbey drehte sich auf die Seite, streckte langsam die Hand nach der Gestalt aus und beugte sich näher zu ihr. Dann erkannte sie plötzlich, wer neben ihr
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