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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Gedanken, die so intelligent waren, dass sie gut einem Ratgeber für Selbstbewusstsein entsprungen sein konnten. Ray war widersprüchlich und gerade deswegen aufregend.
    Ziemlich schnell hatte er ihr Hoffnung gemacht, dass er nicht das komplette Land kaufen werde. Es hing noch von Architekten und Landschaftsgestaltern ab, welchen Teil und wie viel. »Die geben mir in ein paar Tagen Bescheid. Wir wollten im Hinterland Pfade und Aussichtspunkte anlegen,
weißt du, da erwarten wir natürlich Entgegenkommen von den beiden Valaisis.«
    Evelyn hatte sich Ilis glückliches Gesicht vorgestellt, und bei dem Gedanken, dass ihre Initiative zu diesem Erfolg führen würde, war ein Energiestoß durch ihren ganzen Körper gegangen.
    Danach war eins zum anderen gekommen, wie bei einem vorhersehbaren Dominospiel. Die guten Gespräche, die Weine und Cocktails, seine Augen, seine hypnotisch tiefe Stimme, der ganze Erdball als Distanz zwischen ihr und allem, was zu Hause war – sie war berauscht gewesen und glücklich wie schon lange nicht mehr. Noch im Restaurant hatte er sie geküsst, vor allen anderen, und sie hatte es zu ihrer eigenen Überraschung genossen.
    Jetzt streichelte sie seine behaarte Brust und sein stoppeliges Kinn und stand auf. Eines seiner Hemden, das über einem Stuhl hing, gefiel ihr und sie zog es über. Da sie Ray nicht wecken wollte, schlich sie aus dem Schlafzimmer in den eleganten Hauptraum. Dort öffnete sie ein Fenster, umarmte sich mit Rays viel zu langen Hemdsärmeln selbst und sog tief den Duft des Gartens ein, der sich hübsch und bunt wie eine Seidenmalerei unter ihr erstreckte.
    Evelyn lauschte in sich hinein. Sie erwartete irgendeine Reaktion ihres Gewissens, Reue oder Bedauern, doch da war nichts. Im Gegenteil: Bis eben hatte sie sich keine Gedanken gemacht, wie es zwischen Carsten und ihr weitergehen solle. Ihre Flucht nach Samoa war ja nicht überlegt gewesen, weder leidenschaftlicher Streit noch eisiger Abscheu lagen dem zugrunde, und der Gedanke an eine Scheidung war ihr weder in den letzten vier Jahren noch in den vergangenen Tagen auch nur ein einziges Mal gekommen. Ständig hatte Evelyn irgendwie versucht, mit dem Schmerz über den Verlust ihrer Tochter zurechtzukommen, aber nie hatte sie ihre Ehe in Frage gestellt. Heute
Morgen war ihr die Möglichkeit einer Trennung allerdings nicht länger fremd, ja, was letzte Nacht vorgefallen war, erschien ihr sogar so normal wie der Punkt am Ende eines langen Satzes. Was zwischen Carsten und ihr einmal so hell und hoffnungsvoll begonnen hatte, ging zu Ende. Nicht nur sich selbst, sondern auch Carsten hatte sie einen Gefallen getan. Mit was für einer Frau hatte er jahrelang leben müssen, wie viele ihrer Tränen hatte er ertragen, wie viel Spott seiner Eltern, wie viel Mitleid seiner Freunde, wie viele stumme Abende neben einer trostlosen Frau.
    So furchtbar es klang: Schlimmer noch als der eigentliche Tod ihres Kindes war das, was er hinterlassen hatte.
    In den Stunden, nachdem ihr der Arzt gesagt hatte: »Ihre Tochter ist tot …«, war sie wie gelähmt gewesen. Die Szene am Bett erschien ihr unwirklich, bizarr, wie ein Bild aus einem Albtraum. Natürlich wusste sie, dass es kein Albtraum war und dass ihre Tochter nach nur drei Stunden und vierzehn Minuten Leben diese Welt schon wieder verlassen hatte. Wie oft mochte die Kleine geatmet haben? Hatte sie die bedingungslose Liebe gespürt, die Evelyn für sie empfand? Alle diese Fragen gingen ihr durch den Kopf, während das Beruhigungsmittel zu wirken begann. Sie weinte nicht, sie brach nicht zusammen. Die Welt schien zu explodieren und in Millionen Scherben zu zerspringen, es wurde dunkel, und der Boden unter ihren Füßen drohte sie zu verschlingen – doch sie regte sich kaum, so als wäre sie ein Kind, das inmitten schwärzester Nacht aus seinem Bett auf die sich langsam öffnende Tür blickt, in der ein Schatten auftaucht. Sie hielt still. Gefasst sah sie dabei zu, wie die Krankenschwestern im anbrechenden Morgen das Frühstück servierten, wie drei weiße Arztkittel einige Minuten lang um sie herumschlichen, wie ein über das ganze Gesicht strahlender Mann hereinkam und sich entschuldigte: »Verzeihung, falsche Tür.« Sie nickte. Es war, als
schaue sie sich selbst von außen zu, wie sie im Bett lag und alle Bemühungen unbeeindruckt über sich ergehen ließ.
    Carsten kam vorbei und weinte eine ganze Stunde lang. Sie konnte nicht weinen.
    Carsten ging, ihre Eltern kamen. Sie setzten sich neben

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