Der Duft der grünen Papaya
das Beste bist du.«
»Das wollte ich hören«, sagte er und küsste sie. Dann sanken sie langsam auf die Planken der Veranda. Keiner von ihnen sprach. Sie zogen sich gegenseitig aus, betrachteten ihre Körper. Tristan drückte sein Gesicht auf ihren Bauch, der noch nichts von dem Kind ahnen ließ, und bedeckte ihn mit Küssen. Sie lehnte sich zurück. Seine Hände fuhren durch ihre Haare und packten sie, als wolle er damit diesen Tag, diese Minute festhalten.
Am Nachmittag, als sie gerade von einem kurzen Bad im Pazifik zurückkamen, hörten sie undeutliche Stimmen aus dem linken Flügel des Hauses, der bisher von Tristan noch nicht eingerichtet worden war.
»Was ist das?«, fragte Tuila.
»Ich weiß nicht. Eigentlich dürften keine Arbeiter mehr da sein. Vielleicht sollte ich meine Waffe holen.«
»Sei nicht albern«, erwiderte sie. »Es werden bloß ein paar Neugierige sein.«
Er hatte kein gutes Gefühl. So schaulustig Samoaner auch waren: Ohne Erlaubnis des Hausherrn betraten sie fremdes Eigentum nicht. Außer den Mau .
»Trotzdem, ich werde die Pistole holen. Sicher ist sicher. Warte hier, ja? Rühr dich nicht vom Fleck.«
Sie nickte, und er rannte ins Haus und holte die Pistole. Als er zurückkam, war Tuila gerade dabei, den linken Flügel zu betreten.
»Verdammt«, fluchte er und spannte den Hahn. Konnte sie nicht vorsichtiger sein? Er rannte hinter ihr her und holte sie ein, bevor sie den fremden Stimmen nahe gekommen war. »Lass mich vorgehen«, flüsterte er.
»Sie reden nicht mehr«, stellte sie fest.
Tatsächlich schwiegen die Unbekannten. Stattdessen waren nun Geräusche zu hören, als würden Gegenstände hin und her bewegt.
Als Tristan und Tuila nahe dem Raum waren, aus dem die Geräusche kamen, reckte er seinen Kopf um die Ecke und erkannte – Tupu, Ivana und Vaonila, die dabei waren, allerlei Gebrauchsgegenstände aus Körben zu holen.
Tief atmete er durch und steckte die Pistole weg. »Es ist deine Familie«, erklärte er Tuila und betrat im nächsten Augenblick den Raum. Ein wenig ärgerlich sagte er: »Ihr habt uns erschreckt. Wir dachten schon …«
»Tristan dachte schon«, berichtigte Tuila und umarmte ihren Bruder.
»Was dachtest du?«, lachte Tupu und bemerkte die Pistole im Gurt. »Dass wir Wildschweine wären.«
Während Tuila ihre Mutter und Ivana begrüßte, nahm Tristan seinen Schwager beiseite und fragte mit einem Blick auf die halb ausgepackten Körbe: »Was tust du hier eigentlich?«
»Sieht man das nicht? Wir packen aus. Das ist natürlich noch nicht alles. Ich wollte dich fragen, ob du mir dabei helfen kannst, die Matten aus dem fale in Palauli hierher zu holen. Ohne dein Pferd wird der Umzug eine mühsame Angelegenheit.«
Tristan glaubte zuerst, er müsse irgendetwas falsch verstanden haben. Hatte Tupu wirklich Umzug gesagt? War sein Schwager jetzt übergeschnappt?
»Du kannst hier nicht einziehen, Tupu.«
»Warum?«
»Warum?«
»Ja, warum? Ich weiß, ihr papalagi braucht für jede Kleinigkeit ein eigenes Zimmer, sogar zum Lesen und zum Rauchen. Aber selbst für deine Verhältnisse hast du genug Platz. Du und Tuila, ihr wohnt im rechten Teil, Ivana, Moana und ich im linken. Meine Mutter bleibt in Palauli, sie will es so.«
»Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen. Deine Mutter weiß, dass man sich nicht uneingeladen irgendwo einquartiert. Ich sage dir noch einmal: Ihr könnt hier nicht wohnen. Das Haus ist groß, ja, aber ich habe es für Tuila und mich gebaut und für die Kinder, die wir haben werden. Außerdem will ich hier arbeiten, vielleicht Gäste einquartieren. Du warst zu voreilig, Tupu. Du hättest mich vorher fragen sollen, bevor du …«
Tuila unterbrach ihn. »Was hat mir Ivana eben erzählt?«, rief sie strahlend. »Du hast Tupu und Ivana gebeten, hier zu wohnen?«
»Ich – nein, das …«
»Du hast es gewusst, von Anfang an«, lachte sie. »Deine Ahnungslosigkeit, die Pistole – das alles war nur gespielt, du Strolch. Oh, was für eine schöne Überraschung! Danke!« Sie fiel ihm um den Hals. »Nun sind fast alle meine Lieben ganz nahe bei mir. Das wird eine wunderbare Zeit.«
Sie schwieg kurz und sah abwechselnd ihren Mann und ihren Bruder an. »Ja, das wird ein wunderbares Leben.«
6
Samoa, November 2005
»Auf diese Weise hat sich Tupu in das Haus meiner Eltern eingeschlichen«, sagte Ili und trank den letzten Schluck Kokosmilch. Sie hatte bereits drei Becher geleert, genauso viele wie Evelyn, und der dicke Wirt
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