Der Duft der grünen Papaya
verschwunden, weggeblasen wie Staub vom Wind. Eine prächtige Blüte des Flammenbaums schmückte ihr linkes Ohr und würde fortan immer dort leuchten. Der Himmel sah auf sie herab und freute sich mit ihr. Scharen von Möwen segelten mit dem Passat über die Küste, und ein Kakadu, der auf der Suche nach Beeren war, flatterte während der schlichten Zeremonie von Busch zu Busch und brachte die Anwesenden mit seinem Gekrächze so manches Mal zum Lachen.
Sie war wieder die Frau, die sie gewesen war, bevor ihr
Zweifel wegen Tristans Liebe gekommen waren; sie stellte der Zukunft keine Fragen, sondern ließ sie bedenkenlos in ihr Leben eintreten, so wie es die Art aller Polynesier war. Die Liebe zu einem Fremden, zu jemandem, den sie nicht hatte einschätzen können, hatte für kurze Zeit die samoanische Melodie des Lebens in ihr unterbrochen. Doch nun war sie wieder in ihrem gewohnten Rhythmus zu hören. Die Zukunft besaß für Tuila nichts Ungewisses oder gar Schreckliches, sie duftete süß und strömte heran wie der Passat.
Statt eines Ringes legte Tristan ihr ein Geflecht aus tiefblauen Waldblumen um den Hals, und sie erwiderte die Gabe. Ordinarius Löblich schlug das Kreuz. Dann küssten sie sich. Schwester Bertha mit ihren starken Armen erdrückte Tuila beinahe vor Freude, und Schwester Dorothea begann ein samoanisches Lied anzustimmen, in das alle außer Tristan, der es nicht kannte, einfielen.
Tupu stand ein wenig abseits, so als gehöre er nicht hierher, und Tuila musste ihn erst herbeiwinken. Er kam und gratulierte, vermied es aber, mit dem Ordinarius oder den Nonnen zu reden oder ihnen in die Augen zu sehen. Wie versprochen, hatte Tupu weder Ivana noch Vaonila über die Heirat unterrichtet, sondern lediglich erzählt, dass er zugestimmt habe, dass Tristan und Tuila in einem eigenen Haus wohnen würden. Diese Heimlichkeit war das Einzige, was Tuila ein wenig betrübte, denn sie hätte ihre Mutter allzu gern eingeweiht, doch sie sah ein, dass es für Tristan besser war, wenn sie nichts wussten und somit auch nicht versehentlich etwas ausplaudern konnten.
Ordinarius Löblich drückte Tristan zum Abschied die Hand und blinzelte ihm freundlich zu.
»Keine Sorge, ich und die Schwestern werden diese Hochzeit behandeln wie eine Beichte, mein Lieber. Auf bald.«
Schwester Bertha und Schwester Dorothea winkten Tuila
nach, als sie mit ihrem Gatten und ihrem Bruder Richtung Palauli aufbrach.
Zum ersten Mal sah sie das Haus, in dem sie mit Tristan und dem Kind leben würde. Staunend schritt sie über die Veranda, streifte herum und befühlte die Möbel, füllte die Räume in Gedanken mit den Dingen, die sie liebte und hier haben wollte, zarte, farbige Stoffe, die an den offenen Fenstern wehen sollten, große geölte Holzgefäße für die Abendtoilette und kleine Blumengestecke, um auch die wenigen, düsteren Winkel des Hauses leuchten zu lassen. Schnitzfiguren für das Kind vielleicht. Und Obstschalen.
»Weißt du, was schön wäre?«, fragte sie Tristan und schlang ihre Arme um seinen Nacken.
Er lächelte. »Na, was denn?«
»Eine Obstplantage. Direkt hinter dem Haus.«
»Gute Idee, Vögelchen.«
»Heute gehen alle meine Wünsche in Erfüllung.«
Er sah ihr tief in die Augen. »Ich wollte, alles wäre so einfach. Aber ich bin noch immer Offizier, und die nächste Zeit wird …«
»Oh, nicht schon wieder den Himmel grau machen, Tristan. Sag, bist du nicht glücklich? Was sollte uns denn jetzt noch bekümmern, was denn? Unser Kind wächst in mir heran, wir sind Mann und Frau, wir lieben uns.« Sie neckte ihn ein wenig: »Wir lieben uns doch, oder?«
»Natürlich liebe ich dich. Und natürlich bin ich glücklich.«
»Siehst du. Und dieses wunderbare Haus ist wie ein Versprechen der Zukunft. Wir werden immer hier leben, Tristan. Und unser Kind wird auch immer hier leben. Wir werden Pflanzer. Überall um das Haus herum werden Papayas stehen und …«
»Moment. Papayas?«
»Aber sicher.«
»Warum keine Mangos?«
»Mangos kleckern.«
Er lachte. »Sie tun was ?«
»Kleckern. Ihr Saft tropft auf den Boden und macht ihn klebrig. Es ist kein Vergnügen, durch eine Mangoplantage zu laufen. Ich will Papayas.«
»Und was ist mit Kokos?«
»Kein Kokos, das hat jeder. Papayas.«
»Dann sollst du Papayas kriegen.«
»Siehst du, alle meine Wünsche gehen heute in Erfüllung, ich habe es dir ja gesagt. Ich habe einen Kirchensegen bekommen, ein Haus, Papayas … Aber das Beste ist der Mann, den ich gekriegt habe,
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