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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Palmwipfel auf der trockenen Erde tanzten, schlugen Tristan und seine Begleiter zu. Von zwei Seiten kamen sie herangaloppiert, sprangen ab und fassten, bevor er sich versah, Tupu an beiden Armen. Ein paar Palmweinzapfer, die früh aufgestanden waren und mit einem Messer im Mund und einer halben Kokosschale um den Hals auf Bäumen hockten, wurden Zeugen der Verhaftung.
    Tristan trat an seinen Schwager heran, der sich im festen Griff der Fita-Fita befand.
    »Tupu! Ich verhafte dich wegen der Morde am Polizisten
Tamaseu, am Ordinarius Löblich sowie den Nonnen Schwester Bertha und Schwester Dorothea.«
    Tupu fletschte nur die Zähne, mehr nicht, und er widersetzte sich der Verhaftung in keiner Weise. Aber er sah trotzdem aus wie jemand, der noch etwas zu sagen hatte.
     
    Mit Oberst Rassnitz hatte Tristan nicht gerechnet. Der Gouverneur hatte ihn mittlerweile eingeweiht, und nun wollte er persönlich die Einhaltung der Bedingungen überwachen, die Tristan auferlegt worden waren, um einem Armeegericht zu entgehen.
    Rassnitz wartete in der Station, als Tristan dort mit seinem Gefangenen ankam. Er schien fast ein wenig enttäuscht, dass sein untergebener Offizier, den er wenig achtete, den Mörder tatsächlich verhaftet hatte.
    »Lassen Sie zwei deutsche Siedler als Beisitzer holen«, befahl Rassnitz, kaum, dass Tristan die Stube betreten hatte.
    »Siedler? Aber Herr Oberst«, wandte Tristan ein. »Der Gouverneur sprach von zwei samoanischen Polizisten, um die Legitimation des Urteils …«
    »Unsinn«, fuhr der Oberst ihn an. »Samoaner gehören nicht auf Richterstühle. Schnappen Sie sich zwei halbwegs intelligente Siedler, sage ich. Ich selbst führe den Vorsitz. Wir beginnen in zehn Minuten.«
    »Die Zeit ist zu knapp. Ich wollte noch Tupus Familie informieren.«
    »Ihre Familie, meinen Sie wohl? So weit kommt’s noch, dass wir auf solche Kinkerlitzchen Rücksicht nehmen. Mörder ist Mörder. Sie können die Familie informieren, nachdem der Dreckskerl exekutiert wurde.«
    Tristan hatte das Gefühl, der Boden rutsche ihm unter den Füßen weg. Es war genau das Gegenteil dessen eingetreten, was er beabsichtigt hatte.

     
    Der Prozess fand in der Hauptstube der Polizeistation statt. Am Kopfende des Raumes saß Oberst Rassnitz in seiner polierten Uniform an einem schäbigen Holztisch. Zwei noch junge Siedler aus der unmittelbaren Umgebung von Salelologa saßen in gebührendem Abstand zu seinen beiden Seiten und kneteten mit den Händen nervös ihre Hüte. Sie waren noch nie Beisitzer bei einem Standgericht gewesen und waren sichtlich beeindruckt von der Autorität des Oberst Rassnitz und von der Situation insgesamt. Tupu war noch immer an den Händen gefesselt und stand, von Polizisten flankiert, vor dem Tribunal. Auf eine förmliche Anklage wurde ebenso verzichtet wie auf eine Verteidigung. Rassnitz stellte Fragen oder konfrontierte Tupu mit Beweisen für seine Schuld – wie beispielsweise die Brandwunde –, und dieser widersprach nicht. Er war lethargisch geworden angesichts seiner Situation, und er begriff, dass es keine Hoffnung für ihn gab, diesen Tag zu überleben. Ein richtiger Rebell, wie man sie aus anderen Kolonien kannte, hätte diese letzte Gelegenheit genutzt, um die Besatzungsmacht zu schmähen und zu verfluchen. Doch Tupu war kein richtiger Rebell, kein Samoaner war ein Rebell. Er verteidigte sich nicht, er klagte auch nicht an. Die Demütigung durch Rassnitz, Auslöser für ihn, sich den Mau anzuschließen, erwähnte er mit keinem Wort, obwohl sein ehemaliger Peiniger direkt vor ihm saß.
    Für Rassnitz wäre es ein Leichtes gewesen, den Prozess nach einer Viertelstunde zu beenden und das Urteil zu beraten, doch er entschied sich anders. Anstatt Tupus niedergeschlagenes Schweigen zu akzeptieren, fing er an, in eine Richtung zu fragen, die Tristan blamierte. Gezielt fragte Rassnitz, wie es Tupu möglich gewesen sei, nach dem Anschlag auf die Picknickgesellschaft unentdeckt zu bleiben. Mit dieser Frage weckte er Tupu auf, der Tristan kurz angrinste und dann erzählte. In allen Einzelheiten
enthüllte Tupu, wie er Tristan getäuscht und sozusagen »eingewickelt« habe und wie er ihn später mit der heimlichen Ehe abhängig gemacht habe. Das war Tupus Rache. Er musste noch nicht einmal lügen. Jeder Satz rückte Tristan ein Stück mehr in das Zwielicht der Einfältigkeit und der vorsätzlichen Vertuschung, und die Tatsache, dass zwei Deutsche dem Prozess beiwohnten, stellte sicher, dass Tristan

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