Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
Vom Netzwerk:
arrangieren, schnell und formlos. Und verschwiegen, selbstverständlich. Die Diözesen fressen mir aus der Hand, weil ich ihnen hier viele Freiheiten bei der Missionierung gewähre. Dauert nur drei oder vier Wochen, das Ganze. Die ›Scharnhorst‹ hat die letzten benötigten Teile für unsere lang ersehnte Telegraphenstation mitgebracht. In Kürze weihen wir die Station ein, schicken ein Telegramm an irgendeinen Bischof, und schon … In Fällen wie diesem sind die besonders großzügig. Damit wäre zumindest der Verstoß gegen die Mischehe unter den Teppich gekehrt.«
    Er lehnte sich zurück und sog an dem Stumpen. »Was die andere Sache angeht: Ich bin bereit, auch das in Ihrem Sinne zu klären. Nicht aus Nächstenliebe, da möchte ich Ihnen nichts vormachen, Arnsberg. Durch Ihr übertrieben rücksichtsvolles Verhalten haben Sie die Morde an den drei Geistlichen begünstigt. Unfreiwillig natürlich, dennoch … Allerdings fällt Ihr Verhalten auf die gesamte Kolonie zurück, wenn es bekannt wird. Man wird Rassnitz und mir peinliche Fragen stellen, und das will ich nicht. Wenn ich einmal die Kolonie verlasse und in die Heimat zurückkehre, soll mir niemand einen gravierenden Fehler in meiner Amtsführung nachsagen, und sei es nur, dass ich einem dummen, unerfahrenen, weichherzigen Leutnant zu viel Verantwortung übertragen habe.«
    Er atmete tief durch und blitzte Tristan aus seinen durch die Brille vergrößerten Augen an. »Zur Sache also: Sie werden diesen Aufrührer, diesen Tupu, gleich morgen früh ohne viel Aufsehen verhaften und auf Savaii vor ein Standgericht stellen, das Sie selbst leiten. Nehmen Sie sich zwei
Polizisten als Beisitzer, damit auch Samoaner an der Verurteilung beteiligt sind. Halten Sie sich jedoch nicht lange mit dem Prozess auf, höchstens eine Stunde. Und dann lassen Sie den Schuldigen von der Fita-Fita exekutieren – unter Ihrem persönlichen Kommando selbstverständlich. Sie haben Courage bewiesen, als Sie mir offen Ihre Fehler eingestanden haben. Zeigen Sie nun, dass Sie auch bereit sind, die Scharte auszuwetzen. Zeigen Sie, dass Sie es verdienen, ein Arnsberg zu sein.«
    Gouverneur Schultz drückte den dicken, braunen Stumpen unnötig heftig im Aschenbecher aus.
    »Unter diesen Umständen, Leutnant, und zwar nur unter diesen Umständen, bin ich in der Lage zu vergessen, was vorgefallen ist. Guten Tag.«
     
    An diesem Abend empfing ihn Tuila mit besonderer Liebe und Herzlichkeit. Zum ersten Mal hatte sie das Kind in ihrem Bauch gespürt, wenn auch nur schwach, und das wollte sie feiern. Sie hatte Tristans samoanisches Lieblingsgericht zubereitet, Papageifisch mit Limetten und geschmorten Brotfrüchten, und lud auch Tupu und Ivana dazu ein.
    Gemeinsam saßen sie auf der kühlen Veranda, umgeben von frischen grünen Kokosnüssen. Windstöße fegten durch das Haus und bliesen die Lampen aus, doch der Mond schien mit unvergleichlicher Helligkeit auf sie herab. Aus Zweigen der Bougainvillea hatte Tuila vier Kränze geflochten, die ihren Kopfschmuck bildeten und jedesmal, wenn sie davonflogen, für Gelächter sorgten.
    Einzig Tristan war in diesen Stunden schweigsam. Er versuchte, Tupus Blick auszuweichen, aber wenn er ihn doch einmal streifte, wurde er von den widersprüchlichsten Gefühlen durchströmt. Er saß mit einem Mann beim geselligen Abendessen, den er morgen erschießen sollte,
saß neben dessen ahnungsloser Frau und der Schwester. Andererseits stachelte ihn der triumphale Glanz, diese demonstrierte Selbstsicherheit eines Erpressers, auf, und er freute sich beinahe darauf, Tupus Gesicht im Augenblick der Verhaftung zu sehen.
    Die Gelöstheit des Zusammenseins machte ihn wütend. Er verzieh ihnen ihr Lachen nicht, obwohl er wusste, dass es für sie keinen Grund gab, nicht zu lachen. Es ging ihnen gut. Es ging ihnen auch dank ihm so gut. Er hatte stets Rücksicht genommen. Rücksicht auf Tupus Leben, auf Tuilas Gefühle, auf die Gebräuche Samoas. Allen hatte er immer alles verziehen: Tuila die hierarchische Unterordnung unter ihren Bruder, die ihn erst in Tupus Abhängigkeit gebracht hatte; Ivana die grundlosen Unverschämtheiten, die sie sich herausnahm, obwohl er ihr geholfen hatte; Tupu seinen verletzten Stolz, der sich aberwitzig gesteigert hatte. Jeder hier schien es für selbstverständlich zu halten, dass er sich ihnen anpasste, aber niemand passte sich seinen Zwängen an. Sie hielten zueinander. Unausgesprochen bestand zwischen ihnen ein Band, das ihn nicht einschloss.

Weitere Kostenlose Bücher