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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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hupte, doch Ane setzte ihre rasante Fahrt fort, ohne Evelyn zu bemerken.
    Was ist denn jetzt schon wieder los?, dachte sie. Von wegen, auf Samoa hat man viel Zeit.

    Die Ereignisse schienen sich hier andauernd zu überstürzen. Hassausbrüche, Brände, Ohrfeigen, Streitereien – da war Carstens überraschendes Auftauchen nur ein Mosaikstein.
    Als sie am Papaya-Palast ankam, lief ihr schon Ili entgegen.
    »Evelyn«, rief sie atemlos, »gut, dass Sie kommen! Sie glauben nicht, was gerade passiert ist.«

10
    Ane bog mit quietschenden Reifen in die Einfahrt des Aggie Grey’s ein und blieb irgendwo auf dem Parkplatz stehen.
    Es ist ein Wunder, dachte sie bei einem Blick in den Rückspiegel, dass ich bisher niemanden über den Haufen gefahren habe, so verheult, wie ich bin.
    Schon auf der Strecke vom Papaya-Palast nach Salelologa hätte sie beinahe ein Auto gerammt, und wenn es nicht im letzten Moment an die Seite gefahren wäre … Sie hatte es durch den Wasserschleier auf ihren Augen einfach nicht kommen sehen, wollte dann aber auch nicht anhalten, um die Fähre nicht zu verpassen. In Salelologa war sie nicht in der Lage gewesen, den Wagen korrekt auf der Autofähre zu parken. Drei Anläufe hatte sie unternommen, war immer wieder vom Kapitän zurückgescheucht und neu eingewiesen worden, bis sie schließlich einem Mann der Besatzung das Einparken überlassen hatte. Zitternd, völlig fertig mit den Nerven, war sie in einen Winkel des Decks gegangen, dorthin, wo die Maschinengeräusche so laut waren, dass niemand der Fahrgäste sich dort aufhalten wollte. Lange war sie jedoch nicht allein geblieben. Ein Tourist hatte sich neben sie gestellt und sie aus dem Augenwinkel beobachtet.

    »Was denn, was denn«, hatte er gesagt. »Liebeskummer? So schlimm wird’s schon nicht sein.«
    Zuerst ignorierte sie ihn, entfernte sich zwei Schritte, doch er folgte ihr. Als er ihr ein Papiertaschentuch anbot, nahm sie es an.
    »Danke«, sagte sie. »Ich muss furchtbar aussehen.«
    »Nicht doch, nicht doch«, entgegnete er. »Im Gegenteil.«
    Und dann tätschelte er ihren Hintern.
    Sie war sofort auf die Damentoilette der Fähre geflohen, wo es heiß war und stank, aber wenigstens herrschte dort so viel Betrieb, dass sie sicher war, nicht belästigt zu werden. Erst als das Schiff sich Apia näherte, hatte sie das Klo verlassen und sich sofort an das Steuer ihres Wagens gesetzt.
    Überraschenderweise war es ihr gelungen, sicher die Rampe hinunterzufahren, doch kaum war das geschafft, hatten neue Tränen ihren Blick verschleiert. Außerdem war ein Regenschauer niedergeplatscht und hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Sie hatte Kurven genommen, die sie kaum sah, war über einen Bordstein geholpert, hatte zwei lautstarke Flüche von Fahrradfahrern und das kräftige Hupen eines Lieferwagens verursacht, aber irgendwie war sie vorangekommen.
    Und jetzt parkte sie auf dem Hotelparkplatz ein und stieg mit zitternden Knien aus. Der Regen war ihr egal, sie dachte nur an Raymond, an das, was Raymond ihr sagen würde.
    Die graue Gestalt, die näher kam, bemerkte sie erst, als sie neben ihr stand.
    Joacinos Stimme war so leise und weich, dass sie sich mit dem Regen zu vermischen schien. »Scheint so, dass es immer regnet, wenn wir uns begegnen.«
    Sie antwortete ihm nicht, sondern sah ihn nur an. Beide waren klatschnass, der warme Regen durchtränkte ihre
Kleidung und lief ihnen in dicken Tropfen über das Gesicht.
    »Ich wollte dich unbedingt wiedersehen«, bekannte er. »Seit Tagen warte ich jede freie Minute vor dem Hotel auf dich. Meine Freunde halten mich für verrückt, aber ich … Natürlich weiß ich, dass du verlobt bist.«
    »Verlobt?« Ihr fiel der kleine Schwindel von neulich wieder ein. »Ach so, ja. Raymond. Weißt du, das mit ihm ist – kompliziert.«
    »Heißt das, ich darf dich mal zu Hause besuchen? Ich habe herausgefunden, wo du wohnst. Passt es dir sonntags? Das ist leider der einzige Tag, an dem ich die Austernfarm allein lassen kann.«
    Während Ane schon unter dem Baldachin des Hotelportals stand, wartete Joacino im strömenden Regen auf ihre Antwort. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Beinahe kam es ihr vor, als stünden zwei verschiedene Menschen vor ihr. Sie sah Joacinos schlankes Gesicht mit den großen, hoffnungsvollen Augen, die in der Stirn klebenden, kurzen schwarzen Haare und das nasse Hemd, das sich wie eine zweite Haut an seinen Körper schmiegte. Das war der eine Joacino, der, den sie nach Hause

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