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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Thema abzulenken, so wie all die Jahre.
    »Alles der Reihe nach, bitte. Du hast ohne Absprache unser gemeinsames Haus verlassen, um hier Urlaub zu machen. Ich finde, dass ich eine Erklärung verdient habe.«
    »Ich bin gerade dabei, dir eine zu geben«, parierte sie. »Aber wenn du – was ich richtig finde – alles der Reihe nach besprechen willst, dann sollten wir am Anfang beginnen, nicht am Ende. Julias Tod hat …«
    Carsten brach ruckartig den Blickkontakt ab und sah auf das Meer. Seine ganze Körperhaltung drückte Ablehnung aus.
    »Siehst du«, sagte sie. »Das meine ich. Sobald ich von Julia spreche, schaltest du auf Durchzug.«
    »Evelyn, das ist jetzt vier Jahre her«, erwiderte er ungeduldig. »Wie lange soll dein Leben denn noch von diesem einen Ereignis bestimmt werden?«
    »Immer«, sagte sie. »Mein Leben wird nie mehr genauso werden wie vor Julia, das ist schlicht unmöglich. Und könntest du bitte aufhören, ihren Tod mit ›das‹ oder ›Ereignis‹ zu bezeichnen. Wenn du so redest, habe ich immer das Gefühl, deine Mutter steht hinter uns.«
    Er richtete sich auf. Sie hatte ihn getroffen und zugleich provoziert, und plötzlich wollte sie das auch. Sie wollte, dass er aufhörte, so verdammt selbstbewusst zu sein, so cool und geschmeidig und managerhaft, so ganz anders als
sie. Neben ihm kam sie sich schwach und dumm vor, wie eine fiebrige Masochistin, die Gefallen daran fand zu leiden.
    »Weißt du«, ergänzte sie, »ich hatte immer geglaubt, du ähnelst deinen Eltern in nichts, denn du bist interessiert an Kultur, ehrgeizig und mit Sinn für Romantik ausgestattet. Aber ich habe mich geirrt. Deine Kinderstube wurde in dem Augenblick offensichtlich, als du Julias Tod nur noch als ›Unglück‹ angesehen hast. Für dich hat ihr Todestag doch lediglich die Bedeutung eines – eines Börsenkrachs oder einer misslungenen Bilanz.«
    Er wurde blass und schluckte.
    »Habe ich dich nicht immer vor meiner Mutter verteidigt?« , fragte er. »Habe ich ihnen nicht x-mal gesagt, sie sollen dich in Ruhe lassen? Habe ich nicht …«
    Er fegte mit einer ausladenden Handbewegung versehentlich den Pappbecher vom Geländer, hob ihn auf und zerknüllte ihn. Dann ging er ein paar Schritte auf dem Steg zurück und drehte sich plötzlich um.
    »Ich habe mir damals wochenlang frei genommen, um die erste schwere Zeit bei dir zu sein. Ich habe die Beerdigung arrangiert, die Einladungen verschickt, die Gäste verabschiedet, die Trauerkarten beantwortet, den Grabschmuck besorgt …«
    An den Fingern zählte er auf, was er alles getan hatte. Und es stimmte, nichts davon war übertrieben. In dieser Phase war er der perfekte Ehemann gewesen. Wenigstens schien ihr das damals so: Er war derjenige, der alles im Griff hatte – und sie war deprimiert gewesen.
    »Ja, Carsten, du hast viel getan, für die Beerdigung, für mich, später für deine Karriere, deine Persönlichkeit. Meine Freundinnen haben nie verstanden, warum ich mich über deine verfluchte Selbstsicherheit beklagte, wo du doch so fürsorglich warst und ganz nebenbei auch noch beruflichen
Erfolg hattest. Allerdings hast du genau das nicht getan, was ich gebraucht hätte: Du hast wenig geredet, jedenfalls nichts, was mir weitergeholfen hätte. Ich hingegen, ich habe sehr viel geredet, aber nichts getan. So haben wir aneinander vorbeigelebt. Du hast nicht sehen wollen, was zwischen uns geschah, während ich es gesehen habe, ohne etwas dagegen zu tun. Wir haben versagt, alle beide.«
    »Das ist nicht wahr!«, rief er.
    »Alles, was mit Julia zusammenhing, hast du zum Tabu erklärt«, erläuterte sie ruhig. »Zum unerwünschten Thema. Meine Freundinnen, meine Eltern, deine Eltern und du, ihr seid alle in die eine oder andere Richtung davongelaufen, so als sei Julia ein Störfall, vor dem man sich in Sicherheit bringen müsse. Ich war allein, Carsten. Zum Teil auch aus eigener Schuld, aber eben nur zum Teil.«
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, rief er verzweifelt.
    »Mit mir reden. Zuhören.«
    »Zuhören, ja? Und reden? Mich an deinen Verschwörungstheorien beteiligen, ob vielleicht die Ärzte einen Fehler gemacht haben oder du oder das Kind oder sonstwer? Das war doch nicht ernst zu nehmen.«
    »Zugegeben«, sagte sie. »Nicht alles, was ich geredet habe, hatte Hand und Fuß. Trotzdem war es ernst zu nehmen, denn du hättest mich gut genug kennen müssen, um zu merken, wie durcheinander ich war, wenn ich so ein Zeug erzähle. Vom Alkohol will ich gar nicht

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