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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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einladen wollte.
    Der andere Joacino war Perlenzüchter.
    Als er ihre Unentschiedenheit bemerkte, bot er an: »Wir können uns natürlich auch in Apia treffen, wenn dir das lieber ist. Vielleicht willst du ins Kino gehen?«
    Hinter ihr öffnete der Portier die Tür, und sie fühlte die feierliche Schwere des Luxushotels im Rücken, glaubte das kostbar verarbeitete Holz und die Portweinatmosphäre der Säle zu riechen, hörte leise europäische Konzertmusik, untermalt vom seichten Fünf-Uhr-Tee-Geplänkel der Gäste, sah durch die Gardinen der Lounges die warmen Schwefel- und Rosentöne der Tapeten schimmern … Alles atmete Komfort und Wohlstand.
    Dort drinnen, dachte Ane, ist meine Heimat.
    »Es hätte keinen Sinn, Joacino. Ich bin Model, und du, du bist nur ein Austernfarmer.«
     
    Ray Kettner saß auf einem Stuhl, die Füße auf dem Schreibtisch, und sah gelassen zu, wie Ane schon das zweite Glas Whiskey zitternd einschenkte, runterkippte und das Gesicht verzog. Sie war natürlich keine harten Sachen gewöhnt; er hatte sie nie etwas anderes trinken sehen als Champagner oder Cocktails mit bunten Schirmchen drin. Trotzdem ließ er sie auch das dritte Glas einschenken. Sie schien es nötig zu haben, so verstört und verängstigt wie sie aussah.
    Wie billig solche Mädels wirken, wenn es ihnen mal dreckig geht, dachte er.
    Wenn er in den letzten Tagen noch einen Rest Gefallen an Ane gefunden hatte, so war dieser Rest vom Regen und von ihrem endlosen Geheule weggespült worden. Klar, sie war ein hübsches Ding, eine Südseeschönheit, wie es sie hier zuhauf gab. Ihre Brüste waren ihm immer zu klein gewesen, dafür duftete sie gut nach einer Kokosseife und trug schicke Kleider. Darüber hinaus hatte er noch irgendetwas an ihr gemocht, ohne zu wissen, was. Vielleicht ihren kalten Egoismus, vielleicht auch den ein wenig unbeholfenen Ehrgeiz. Zumindest war sie keine Neurotikerin wie die meisten Frauen, wie auch diese Evelyn, die einerseits mit ihm ins Bett gegangen war und ihren Mann betrogen hatte, sich andererseits aber wegen ein paar Bäumen aufregte.
    »Bevor du umkippst«, sagte er gelassen, »erzählst du mir vielleicht noch, was passiert ist.«
    Das nunmehr dritte Glas führte sie mit ruhiger Hand zum Mund. »Was glaubst du wohl, was ich gerade eben getan habe?«, fragte sie aggressiv. Der siebenundvierzigprozentige Alkohol wirkte bereits.

    »Mir unzusammenhängendes Zeug erzählt, das hast du getan«, entgegnete er. »Und jetzt noch einmal von vorn. Woher weißt du, dass deine Großmutter nicht mehr verkaufen will? Hat sie es dir gesagt?«
    »Nein, das musste sie auch nicht. Ich habe es ihr angesehen.«
    »Angesehen«, wiederholte er.
    »Ihrem Gesicht!«, rief sie entnervt. »Es stand ihr im Gesicht geschrieben.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Hättest du vielleicht noch andere Hinweise auf ihren Rückzieher zu bieten? Einen gekrümmten Finger womöglich? Ein Hautausschlag? Mundgeruch? Oder stand es nur in ihrem Gesicht geschrieben ?«
    Sie knallte das schwere Whiskeyglas auf die Tischplatte und funkelte ihn zornig an. Da riss ihm der Geduldsfaden. Betrunken oder nicht, sie sollte merken, dass man so nicht mit ihm umspringen konnte. Er schnellte hoch, verpasste ihr eine Ohrfeige, fast schon einen Schlag, der sie zu Boden warf, verschloss demonstrativ die Flasche und setzte sich wieder auf den Stuhl zurück.
    »So«, sagte er ruhig mit seiner rauchigen, wohlklingenden Stimme. »Steh auf und beantworte meine Fragen.«
    Jegliche Aggressivität war von ihr gewichen, und sie war wieder das folgsame kleine Biest, das er kannte. Zufrieden blickte er sie an.
    »Schön«, sagte er, als sie endlich stand. »Jetzt mal alles hübsch der Reihe nach. Was ist passiert?«
    Sie schluckte und erklärte mit ängstlicher, reuevoller Stimme: »Ili saß auf der Veranda. Moana ging zu ihr hinüber und warf ihr einen Zettel zu – sie spricht ja nicht mit ihr. Ili las den Zettel, guckte verwundert, dann fröhlich, und Moana kam wieder zurück ins Haus. Sie sah mich auf eine Weise an, die – die unmissverständlich war.«

    »Was war der Auslöser?«, wollte Ray wissen. »Die Sache mit der Rodung?«
    Sie wiegte unentschlossen den Kopf.
    »Der Brand?«
    Sie wiegte erneut den Kopf.
    »Also einfach ein Meinungsumschwung, ja? Eine Laune, wie sie bei alten Leuten manchmal vorkommt?«
    Er spürte, dass sie log. Dieses Biest verheimlichte ihm etwas. Aus zuverlässiger Quelle wusste er, dass die Greisin, nachdem sie von der

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