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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Schwägerin mit den Feinden sympathisiert, dann …«
    »Geht in das Haus.«
    »Dort waren wir schon.«
    »Geht noch einmal hin. Dort findet ihr, was ihr sucht.«
    Sie fanden die einzelne Seite einer deutschen Zeitung. Außer Todesanzeigen, der Werbung eines Bestatters und Ankündigungen zum Gottesdienst stand nichts darauf, aber auf der Rückseite prangte ein großes Bild der deutschen Kaiserin Auguste Viktoria, die Krankenschwestern eines westfälischen Lazaretts besuchte. Dass Tuila das
Blatt nur wegen der Todesanzeige Graf Arnsbergs aufgehoben hatte, wurde von dem Beamten zwar zur Kenntnis genommen, entlastete sie jedoch nicht. Sie wurde als Sympathisantin der Deutschen eingestuft, und Ivana erhielt als direkte Wiedergutmachung für die Hinrichtung ihres Mannes die Hälfte des Hauses und Landes zugesprochen.
    Vielleicht hätte Vaonila diesen heimtückischen Plan ihrer Schwiegertochter noch vereiteln können, denn sie besaß die größte Autorität innerhalb der Familie, war im Dorf sehr beliebt und auch bei den neuseeländischen Soldaten auf Savaii geachtet, weil sie sich nicht an den abgeschnittenen Hosen störte und für jeden einen freundlichen Gruß hatte. Außerdem hätte ihr als Mutter des Exekutierten wohl ebenso eine Entschädigung zugestanden, die wurde jedoch nicht von ihr gefordert, da sie der Meinung war, Tupu sei kein Widerstandskämpfer gewesen, sondern ein Krimineller. Diese eindeutige Position hätte Ivanas Anspruch untergraben können. Doch schon im August 1918, fast genau vier Jahre nach Tristans Tod und kurz vor Kriegsende, breitete sich die berüchtigte spanische Grippe auf Samoa aus, die aufgrund der schlampig durchgeführten Quarantänemaßnahmen der neuseeländischen Verwaltung besonders schlimm wütete. Mehr als ein Viertel der einheimischen Bevölkerung fiel binnen weniger Monate der Krankheit zum Opfer.
    Vaonila gehörte zu den ersten Toten.
    Seither war Tuila völlig auf sich allein gestellt, ohne einen vertrauten Menschen und der Hälfte dessen beraubt, was Tristan und sie geschaffen hatten. Ivana hatte bei der Rekordernte des Jahres 1919 keinen Finger gerührt, nahm aber bedenkenlos die Hälfte des Gewinnes an sich, sie, die dem Geld der papalagi bisher nur Verachtung entgegengebracht hatte. Darüber hinaus weigerte sie sich, auch nur eine Münze für die Pflege oder die Erweiterung der Plantage herzugeben.
Sie verließ das fale in Palauli und zog wieder in jenen Teil des Papaya-Palastes ein, den sie früher schon einmal mit Tupu bewohnt hatte. Wie eine Häuptlingsfrau stolzierte sie durch den Garten, kaufte für sich und Moana schöne Tücher und weiche Matten und zog Tuila, die alles in die Erhaltung der Pflanzung investierte und schuftete wie ein Chinese, mit der Ärmlichkeit ihres Äußeren auf. Tuila war klug genug, sich nicht provozieren zu lassen und sich das Leben nicht mit Streitereien schwer zu machen, die ohnehin zu nichts geführt hätten. Sie kam aus einem dunklen Tal und wollte von nun an das Gute, das Positive, das Helle in den Dingen sehen. Sie hatte, gemessen an der kurzen Zeit seit Tristans Tod, viel erreicht, hatte ein schönes Heim, eine liebe Tochter und viele Erinnerungen an glückliche Tage.
    An einem Adventstag des Jahres 1920 ging sie nach Salelologa und gab dort einen Brief auf, mit dem sie sich große Mühe gegeben hatte. Für das Briefpapier und das Porto hatte sie viel Geld hergeben müssen, obwohl sie sparen musste. Siebenmal hatte sie von vorn angefangen, dreimal alles in der schönsten Schrift abgeschrieben, und jedes einzelne Wort hatte sie auf seine korrekte deutsche Schreibweise überprüft, bis sie zufrieden damit war. Der Brief war adressiert an Gräfin Sophie von Arnsberg, Schloss Arnsberg, Deutsches Reich.
    Eine Antwort erhielt sie nie.
     
    Ili, die bisher abgeschieden vom Dorf aufgewachsen war und nur wenige gleichaltrige Kinder kannte, fand in Moana eine Spielgefährtin. Moana mit ihrem ungeheuren Bewegungsdrang zog Ili mit. Sie kletterten auf die Papayas, ärgerten die Krebse an der Bucht und spürten Schweine im Wald auf. Bei den anderen Mädchen in der Missionsschule galten sie schon bald als die Palastschwestern, weil sie ständig zusammen waren. Wenn sie eine Aufgabe bekommen
hatten, mit der eine von ihnen Schwierigkeiten hatte, half die andere, und wenn eine von ihnen krank wurde, wollte die andere nicht zur Schule.
    Ein wenig überraschend war diese Anhänglichkeit schon, am meisten für Ili selbst, denn Moana war nicht einfach; es war

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