Der Duft der grünen Papaya
zuwucherte.
»Um den werde ich mich nächsten Monat kümmern«, kündigte Tuila an.
»Ich sage es immer wieder: Du wirst dich noch zu Tode arbeiten.«
Besser, als sich zu Tode langweilen , dachte Tuila im Hinblick auf ihre Schwägerin Ivana, die wenig zu tun hatte und deren Hilfe sie ab und an gerne in Anspruch genommen hätte.
»Warum besucht sie mich nie?«, fragte Tuila.
Vaonila wusste, wen sie meinte. »Sie ist nicht gut auf dich zu sprechen. Dein Mann hat ihren Mann erschossen.«
»Ich habe ihm vergeben, du hast ihm vergeben, warum kann sie es nicht?«
Sie tauschten einen kurzen Blick.
Tuila fragte: »Du hast ihm doch vergeben, oder nicht?«
Vaonila trank den letzten Schluck der kava und ließ sie sich lange auf der Zunge zergehen.
»Ich habe ihn verstanden«, korrigierte sie.
»Das ist nicht dasselbe wie vergeben, richtig?«
Vaonila seufzte. »Ach, lass nur, Kind. Es wird sich alles mit der Zeit von ganz allein geben.«
Was Ivana betraf, gab sich nichts von allein. Je höher die Papayas wuchsen, desto neidischer wurde sie, wenn sie am Haus vorbei hinunter zur Bucht ging. Es war die Zeit, in der die ersten Savaiianer begannen, vom faletele papaia zu reden, vom Papaya-Palast, und von Tuila als der maamusa papaia , der Freundin der Papayas. Im Mai 1918 wuchsen die ersten Früchte an den Stämmen. Zwar blieben sie noch grün und unreif, doch es zeichnete sich ab, dass die nächste Ernte eine der größten Obsternten Savaiis würde, und ein australischer Kaufmann bekundete bereits sein Interesse. Gleichzeitig wurde für alle auf Samoa deutlich, dass nach dem Kriegseintritt der Amerikaner kaum noch eine Möglichkeit für die Deutschen bestand, den Krieg zu gewinnen und die verlorenen Kolonien zurückzubekommen. Da beschloss Ivana zu handeln.
Sie ging zur neuseeländischen Verwaltung nach Apia. Der Beamte mit dem Haigesicht, der für Vermögen der früheren deutschen Eigentümer zuständig war, sah sie wenig interessiert an, als sie ihm gegenüber Platz nahm. Er störte sich an dem Mädchen, das im Raum umherlief und an allem zerrte, das auf dem Boden stand und sich nicht bewegen wollte, einschließlich dem Sockel seines Schreibtisches. Er nahm kaum wahr, was Ivana ihm zu erzählen hatte, aber als der Name Arnsberg fiel, horchte er auf.
»Habe ich dich richtig verstanden, Frau? Sagtest du Arnsberg.«
»Ja, Arnsberg. Meine Schwägerin Tuila hat ein Kind mit diesem papalagi .«
»Könntest du dich bitte in einer zivilisierten Sprache mit mir unterhalten.«
»Mit einem Deutschen«, berichtigte sie.
»Oh, jetzt erinnere ich mich an dich. Du warst doch schon einmal da, vor ein oder zwei Jahren, und hast uns auf diesen Arnsberg aufmerksam gemacht, der unsere Jungs erschossen hat. Ich habe damals deine Schwägerin gewarnt, gegen uns zu arbeiten, mehr konnte ich nicht tun. Sie ist die Erbin seines Vermögens, andererseits ist sie keine Deutsche. Da sind mir die Hände gebunden. Passt mir auch nicht, doch was soll ich machen?«
»Wieso ist sie die Erbin?«, fragte Ivana. »Wenn sie doch nicht verheiratet waren …«
Moana warf einen Schirmständer um, aber der Beamte achtete kaum darauf. »Was sagst du? Nicht verheiratet?«
»Sie behauptet , mit ihm verheiratet gewesen zu sein, aber dafür gibt es keinen Beweis. Das Dokument, das die Ehe beweist, ist bei der Zerstörung der Polizeistation verbrannt, das sagt Tuila selbst. Und keiner der Zeugen lebt noch.«
»Ja, wenn das so ist …« Der Beamte schlug ein Buch auf. »In diesem Fall wäre eine Konfiszierung möglich.«
»Das heißt, ich bekomme einen Teil des Hauses?«
»Wieso das denn?«
»Ich bin hier, weil ich finde, dass mir auch etwas von dem Land und dem Haus zusteht.«
»Hast du keinen Verstand im Kopf? Wenn deine Schwägerin keine Erbin ist, hast du erst recht keinen Anspruch darauf. Also, was ist nun? Waren sie verheiratet oder nicht?«
Ivana biss sich auf die Lippe und überlegte. »Also gut, sie waren verheiratet. Aber dieser Arnsberg hat meinen Mann umgebracht, einen Widerstandskämpfer. Ich verlange Sühne.«
Die Augen des Beamten leuchteten, und er ignorierte, dass Moana einen Garderobenständer quer durch den Raum schleifte. »Ein Widerstandskämpfer, sagst du?«
»Ja.«
»Gegen die Deutschen?«
»Ja.«
»Er wurde exekutiert?«
»Ja.«
»Sehr sympathisch. Na, das ist doch mal was. Da hast du als Witwe Anspruch auf Entschädigung – durch die Deutschen, selbstverständlich. Wenn wir jetzt noch beweisen könnten, dass deine
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