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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Zügel aus der Hand nahm. Doch daran hatte Tino kein Interesse. Alle vier bis sechs Wochen schlenderte er mit dem Enthusiasmus eines gelangweilten Katers durch die Pflanzung, redete mit ein paar befreundeten Arbeitern, klopfte Senji grinsend auf die Schulter, gab ein paar großspurige Bemerkungen von sich und trottete wieder davon. Tino war nicht Moanas große Liebe – und umgekehrt.
    Manchmal ging Ili mit sich ins Gericht und fragte sich, wie viel Schuld sie an Moanas Unglück trug. Meistens regte sie sich über diese Frage so auf, dass sie sie nicht weiter verfolgte. Aber es kam auch vor, dass sie sie bis zum Ende durchdachte: Wieso hatte sie Senji erst begehrt, als Moana sich für ihn interessierte? Warum hatte sie ihn zunächst noch nicht einmal wahrgenommen? Hatte sie sich Moanas
wegen in ihn verliebt, aus einem tiefen Gefühl für Rache heraus, weil ihre Cousine alles hatte und sie nichts? Liebte sie Senji überhaupt? Oder glaubte sie nur, ihn zu lieben, weil sie damit etwas an sich genommen hatte, das vorher Moana gehörte?
    Diese Fragen verstörten Ili vor allem deshalb, weil sie sie nicht mit letzter Sicherheit beantworten konnte. Kein Mensch kennt sich selbst so gut, dass er den tiefsten Grund und das innerste Motiv für seine Handlungen zu nennen vermag.
     
    Am 7. Dezember 1941 griffen die Japaner den amerikanischen Flottenstützpunkt auf Hawaii an und rissen damit den Pazifik in den Zweiten Weltkrieg hinein. Das Land der aufgehenden Sonne eroberte binnen weniger Monate die Philippinen, Burma, Malaysia und Singapur, ganz Niederländisch-Indien und Neuguinea, die Karolinen-, Marianen- und Marshall-Inseln, und schließlich bedrohten die Japaner auch Samoa.
    In der neuseeländischen Verwaltung in Apia wuchs die Nervosität. Man stellte an den Küsten Maschinengewehre auf und umgab sie mit Sandburgen. Die Wälder hallten von den Übungen mit Granatwerfern wider. Zerstörer und Schnellboote kreuzten um Savaii und auch vor der Palauli Bay. Selbstverständlich wurden alle Samoaner aufgefordert, ihre Waffen abzugeben und sich nachts nicht mehr im Freien aufzuhalten, weil man fürchtete, dass japanische Spione Sabotageakte verüben oder die Inseln sozusagen von innen heraus erobern könnten. Die Samoaner wurden ebenfalls aufgefordert, alles Verdächtige zu melden, und dies war eine der wenigen Aufforderungen, der sie wirklich nachkamen, denn die Furcht vor einer japanischen Eroberung saß tief, da die Japaner für ihre rigide Besatzung berüchtigt waren.

    Im Juni 1942 fuhr ein Jeep mit vier neuseeländischen Soldaten am Papaya-Palast vor und durchsuchte Ilis und Senjis Wohnung. Sie waren zu diesem Zeitpunkt in der Plantage, und als sie zurückkamen, wartete ein unfreundlicher Sergeant auf sie.
    »Sie haben sich der Aufforderung widersetzt, Waffen abzugeben«, stellte er ohne jeglichen Gruß unumwunden fest.
    »Nein«, sagte Ili und sah Senji an. »Besitzt du eine Waffe?«
    »Nein«, bestätigte er.
    »Uns wurde der Besitz einer Waffe gemeldet. Darum haben wir Ihr Haus durchsucht. Und wir fanden tatsächlich eine Waffe. Diese hier.«
    Er griff hinter sich in den Jeep und holte ein in roten Samt eingeschlagenes Schwert hervor.
    »Aber das …«, stammelte Senji, »das ist doch bloß das Samuraischwert meines Vaters. Sein Abschiedsgeschenk.«
    »Es ist eine Waffe«, sagte der Unteroffizier.
    »Ich habe das Schwert seit Jahren nicht in der Hand gehabt.«
    »Dennoch ist es eine Waffe«, beharrte der Neuseeländer. »Ich beschlagnahme sie hiermit. Was sind das für Bücher in Ihrem Haus? Sie sind in deutscher Sprache geschrieben. Propagandamaterial?«
    Ili lachte auf. »Sofern Sie Goethe als Propa…«
    »Wir prüfen das. Einige Bücher sind beschlagnahmt.«
    »Das ist doch lächerlich.«
    Der Sergeant setzte sich in den Jeep und gab dem Fahrer den Befehl loszufahren.
    Ili wiederholte ihren Vorwurf, nachdem sie fort waren. »Das ist doch lächerlich«, sagte sie zu Senji.
    Er kratzte sich am Kopf. »Na ja! Eine Halbdeutsche, die fließend Deutsch spricht und deutsche Bücher liest, verheiratet
mit einem Halbjapaner, der japanisch spricht und ein Samurai-Schwert besitzt: Sag selbst, in diesen Tagen kann man bessere Empfehlungen haben.«
    Beiden war klar, dass Moana hinter der anonymen Anzeige steckte, denn sonst wusste niemand von Senjis Schwert. Er hatte es ihr während ihrer kurzen Verlobungszeit einmal gezeigt.
    Senji fürchtete nun, dass man ihn verhaften würde. Man hatte von Internierungslagern auf dem

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