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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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»Ich lasse dich erst gehen, wenn du mir ins Gesicht sagst, dass du mich nicht liebst.«
    Sie sah ihm in die schwarzen, glitzernden Augen.
     
    Als Senji Moana sagte, dass er Ili liebe und sie heiraten wolle, wahrte sie nur mühsam die Fassung. Gleichgültig, was er ihr zur Erklärung und Entschuldigung anbot, sie wollte nichts davon hören und wies ihm die Tür.
    Ihr Kinn vibrierte, als sie ihm nachrief: »Ich will jedes einzelne Pfund, das ich dir gegeben habe, zurückhaben!«
    Er seufzte: »Darum ist es dir doch nie gegangen, oder, Moana? Um Geld? Das Geld ist doch unwichtig.«
    »Ich will jedes einzelne Pfund zurückhaben«, wiederholte sie. »Sag das deiner Frau.«
    Dann warf sie die Tür zu und wurde zwei volle Wochen nicht mehr gesehen.
    Ili und Senji warteten noch, bis seine Mutter aus Australien kam. Sie heirateten an einem Oktobertag 1939, nicht in der Kapelle von Palauli, sondern unten an der Bucht. Die Palmwipfel waren an diesem Tag Spielzeuge des Windes, und die grünen Wogen schwappten schäumend über die Riffe. Ili wählte sich Senjis Mutter als Trauzeugin, während Senji, der keiner Familie angehörte und mit keiner bekannt war, den Ladenbesitzer Malietama Opalani und dessen jungen Sohn Ben an seiner Seite hatte.
    Am nächsten Tag fuhren sie gemeinsam zur Bank nach Apia und hoben Ilis sämtliche Geldreserven ab, um sie Moana zu geben. Als sie die Tür öffnete, riss sie ihnen den Geldbeutel aus den Händen, funkelte Ili an und flüsterte: »Das wirst du eines Tages büßen, Ili.«
    Das waren die letzten Worte, die sie für mehr als ein halbes Jahrhundert an Ili richtete.
    Sie heiratete einige Monate später einen jungen Mann namens Tino. Er sah sehr gut aus und hatte prächtige Muskeln,
aber Senji, der einen sechsten Sinn für verborgene menschliche Gefühle hatte, sagte, dass diese Ehe nicht gut gehen würde. Moana tat ihm Leid, auch wenn sie mit Tino prahlte und überall verkündete, was für ein prächtiger Gatte er sei und wie armselig sich dagegen Senji ausnehme. Sie verhöhnte Senji, wo immer es ging.
     
    Für Ili und Senji war es eine arbeitsreiche, aber auch eine wunderbare Zeit. Wenn Ili nach einer Beschreibung für ihre Ehe suchte, dann fiel ihr jedesmal das Wort »schön« ein. Ja, ihre Liebe war schön: leise, sanft wie ein Ruhekissen, eingebettet in gegenseitiges Verstehen. An den harten, anstrengenden Tagen in der Plantage redeten sie oft kein einziges Wort miteinander, sahen sich manchmal nur im Vorbeigehen, nickten sich zu, sprachen mit den Augen. Abends dann, wenn sie zu müde für lange Gespräche waren, zündete er eine Kerze an und spielte mit Ilis schwarzen Haaren, bevor sie sich dicht beisammen zum Schlafen legten.
    Ili erwachte erst in dieser Zeit so richtig zum Leben. Alles, was Tuila ihr einmal gezeigt hatte – die Natur mit ihren tausend Kostbarkeiten, das Glück der kleinen Dinge – und das sie seit Tuilas Tod verlernt und vergessen hatte, kam dank Senji wieder zum Vorschein. Wenn sie auf den Friedhof ging und Blumen auf dem Grab ihrer Eltern niederlegte, wünschte sie sich, dass ihre Mutter Senji kennen gelernt hätte.
    Eines Tages, als sie wieder einmal ihren Vater besuchte, stellte sie fest, dass die Inschriften des Grabsteins zerkratzt waren. Tristans Name war ausgelöscht. Natürlich gab es keinen Beweis für Moanas Täterschaft, doch Ili musste nicht lange überlegen, wer hinter dem rachsüchtigen Anschlag steckte. Nur Senji zuliebe stellte sie ihre Cousine nicht zur Rede.

    »Wie soll ich denn sonst darauf reagieren?«, fragte sie ihn.
    Er streichelte ihren Rücken. »Wir kaufen einen neuen Stein.«
    »O, Senji, wir kommen dieses Jahr gerade so über die Runden. Niemand will Papayas. Der Krieg in Europa bewirkt, dass überall gespart wird, selbst in Australien.«
    »Dann besorge ich selbst einen Stein und kerbe die Inschriften ein. Ich kann das.«
    »Schon«, seufzte sie, »aber wir haben so viel zu tun, und nun auch noch das.«
    »Sie ist unglücklich«, sagte er. »Darum macht sie solche Sachen.«
    Ili stimmte ihm im Grunde zu, Moanas Unglück war ja auch nicht zu übersehen. Tino machte, wie die meisten samoanischen Männer, was er wollte und trieb sich den ganzen Tag herum. Wenn ihm gerade einmal danach war, blieb er zu Hause, was aber selten vorkam, denn Moana machte ihm ständig Vorhaltungen, dass er sich nicht um die Plantage kümmerte. Sie selbst machte keinen Finger krumm, von ihm erwartete sie jedoch, dass er sich einmischte und Ili und Senji die

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