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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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sie verdient einen Vater, der sie mit ehrlicher Arbeit ernährt und nicht vor dem Exekutionskommando endet. Werde endlich erwachsen, Tupu. Ich kann verstehen, dass du nicht gut auf Rassnitz zu sprechen bist, aber wir sind nicht alle so. Ich liebe deine Schwester, ehrlich und ohne Einschränkung, und ich will loyal zu ihrer Familie sein. Darum lass uns nicht zu Feinden werden, Tupu. Löse dich von den Mau .«
    Tupu dachte nach, ging ein paar Schritte. Mondlicht und Schatten veränderten sein Gesicht zu fließenden Bewegungen wie ein Meer bei Nacht. Sein Körper, jung und voller Spannung, glänzte, eine Kette aus winzigen Muscheln hing um seinen Hals, die Tätowierungen an den Beinen leuchteten in kräftigem Blau. Alles an ihm drückte Jugend und Lebenskraft aus, einen Willen zur Zukunft, und Tristan schauderte bei dem Gedanken, dass Tupu diese Schätze des Lebens achtlos vergeuden könnte.
    »Einverstanden«, sagte Tupu. »Ich sehe ein, dass ich falsch gehandelt habe.«
    »Du wirst dich von den Mau trennen?«
    »Ja.«
    »Gibst du mir dein Wort?«
    »Ja.«
    »Dann lass uns die Sache vergessen. Ich werde nichts sagen, zu niemandem.«
    Tristan reichte ihm die Hand, zog ihn an sich und klopfte ihm mit der flachen Hand auf den Rücken. »Lass uns von jetzt an Freunde sein, Tupu.«

    Tupu nickte, und nach einer kurzen Verabschiedung ritt Tristan in die Nacht davon.
    Was für ein Tag, dachte er. Aber er war erfolgreich gewesen. Clara Hanssen wusste nun, woran sie mit ihm war, die Damen würden ihn so schnell nicht mehr belästigen, er hatte sich mit Tuila ausgesprochen und Tupu vor einer Katastrophe bewahrt. Verglichen mit der Situation vor achtzehn Stunden ging es Tristan hervorragend.
     
    Tupus Hände zitterten.
    Er stand noch immer dort, wo er Tristan verabschiedet hatte. Das Haus der Eltern lag keine hundert Schritte entfernt, verheißungsvoll zeichneten sich die Lichter in der silbrigen Nacht ab. Seine Frau lag dort, wartete auf ihn. Alle warteten. Moana, das Kind, das den Vater noch nicht gesehen hatte. Die Eltern, die ihn beglückwünschen wollten. Ein paar Freunde und Nachbarn vielleicht. Der Dorferste womöglich.
    Vergeblich versuchte er, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken.
    Er hatte einen Menschen überfallen, beinahe getötet. Sein Plan hatte einfach nur vorgesehen, die deutschen Frauen mit Schweineblut zu bewerfen. Die Mau hatten von dem Picknick der Gouverneursgattin erfahren, und sie hatten ihm die Aufgabe gestellt, es irgendwie zu stören. Von Begleitschutz hatte niemand gesprochen, schon gar nicht von Tristan. Erst als er sich anschlich, bemerkte Tupu den Polizisten. Da war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Also suchte er sich in der Nähe einen starken Ast, um die Wache damit bewusstlos zu schlagen.
    Doch dann, als er sich anschlich, passierte es, Tupu wusste selbst nicht, woher es kam und warum. Er sah plötzlich nicht einfach einen Menschen, den er überwinden musste, er sah nur noch eine Uniform, das weiße Kleid
der Fita-Fita, das Symbol für die Fremdherrschaft. Wenn es keine Samoaner gäbe, die mit den Deutschen gemeinsame Sache machten, wären die Besatzer hilflos. Dann könnte das alte Samoa wiedererstehen, das stolze Volk, das es noch vor einem halben Jahrhundert gewesen war, bevor die Briten, Amerikaner und Deutschen mit ihrem Gin, ihrem Hochmut und der heuchlerischen Religion gekommen waren. Sein ganzer Hass auf diese Uniform und die ganze Anspannung wegen der ihm gestellten Aufgabe entlud sich in einem einzigen gewaltigen Schlag.
    Seither zitterten seine Hände.
    Er lief jetzt in den finsteren Wald, obwohl er sich dort fürchtete. Hier wohnten die Geister der unbetrauerten Toten, die sich immer dort aufhielten, wo sie bei Zweikämpfen oder Schlachten gestorben waren und danach unentdeckt verwesten. Am Tage hatten sie die Gestalt von Schweinen, Vögeln oder Insekten, aber nachts nahmen sie ihr altes menschliches Aussehen an und überfielen einsame, unvorsichtige Wanderer, um sie zu ihresgleichen zu machen. Auch der Christengott hatte niemandem die Angst vor ihnen nehmen können, sie blieben gefürchtet, aber als Teil der alten Religion auch geachtet.
    Tupu rannte. Er lief vor den Geistern weg, aber auch vor sich selbst, vor dem, was in ihm vorging, genauso wie er am Mittag nach dem Überfall in den Wald gelaufen war. Er war erschrocken gewesen, nicht nur darüber, dass Tristan auf ihn schoss, sondern vor seinen eigenen Gefühlen. Den ganzen Tag hatte er sich versteckt gehalten, so

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