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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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dass ihn niemand finden konnte, nicht die Deutschen, nicht die Mau .
    Er rannte weiter durch den dunklen Wald, fast geräuschlos über Moose und Flechten. Sein Atem ging schnell. Ja, der Schreck steckte noch immer in ihm, aber dazugekommen war der Stolz, etwas bewirkt zu haben. Er hatte ein Zeichen gesetzt.

    Nein, die heutige Tat durfte nicht das Ende sein. In ihm brannte ein Feuer, loderte höher und immer höher, und selbst wenn er es hätte löschen wollen – er konnte es nicht.
    Er schob ein paar Blätter zur Seite. Vor ihm, mitten im Wald, erhob sich die Pulemelei-Pyramide , von den Vorfahren erbaut in ferner Vergangenheit, so fern, dass niemand mehr wusste, wozu sie gedient hatte. Heute jedoch erfüllte sie wieder einen Zweck. Hier trafen sich bei jedem Vollmond und jedem Neumond die Mau zu ihren geheimen Besprechungen. Sie beteten die Geister an und erbaten für sich Mut und Kraft.
    Die Mau : Sie würden stolz auf ihn sein, seine Mannhaftigkeit loben. Sie würden ihm Eigenschaften zugestehen wie noch keinem vor ihm, Worte aussprechen, die ihn aufrichteten.
    Er ging auf den geheimnisvollen, steinernen Bau zu.
    Ein paar Gestalten näherten sich ihm wie Geister.

4
    Samoa, November 2005
     
    »Er wurde in jener Nacht endgültig in den Kreis der Widerstandskämpfer aufgenommen«, sagte Ili, »und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Ich glaube, so fangen viele Tragödien an: Auf irgendeine Demütigung, einen Rückschlag oder ein Scheitern folgt innerer Protest, und wenn dieser Protest zu viel Raum bekommt und von der Umwelt nicht bemerkt wird, verselbstständigt er sich und wuchert zum regelrechten Hass. Das Objekt dieses Hasses ist meist völlig willkürlich ausgewählt. In Tupus Fall waren es die Deutschen und die Fita-Fita, jedenfalls schien es so, aber
im Grunde … Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass er mit sich selbst nicht im Reinen war. Bei aller äußeren Kraft war Tupu tief in sich drin ein schwacher Mensch. Er konnte seine Einstellung gegenüber ›dem Feind‹ nicht ändern, weil das bedeutet hätte, dass sein bisheriges Verhalten grob falsch war. Das einzugestehen war er nicht stark genug, und um den Anschlag vor sich selbst rechtfertigen zu können, blieb er lieber seiner unsinnig falschen Linie treu und trat den Mau bei.«
    »Und niemand hat etwas bemerkt?«, fragte Evelyn.
    »Seine Entscheidung blieb natürlich geheim, die Familie wurde aus dem, was ihn bewegte, ausgeschlossen.«
    »Und Tristan hat ihm einfach so geglaubt?«
    Ili nickte. »Daran zeigt sich, wie wenig Soldat er im Grunde gewesen war. Er hätte Tupu nicht blindlings vertrauen dürfen. Der Handschlag eines Attentäters, was bedeutet der schon? Aber Tristan beging den allzu menschlichen Fehler, von sich selbst auf andere zu schließen. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, trotz Frau und neugeborener Tochter zu Hause ein unnötiges, lebensgefährliches Abenteuer zu wagen. Er hätte auch nie sein Wort gebrochen. Und obwohl der verwundete Polizist einige Tage später, trotz aller Bemühungen von Tuilas Mutter und einem deutschen Arzt, doch noch einer Gehirnblutung erlag, zog Tristan sein Versprechen nicht zurück, das er Tupu, der nun ein Mörder war, gegeben hatte.«
    Evelyn überlegte.
    »Vermutlich dachte er sich, dass es keinen Sinn mache, dem toten Polizisten auch noch einen hingerichteten Attentäter hinzuzufügen, der, wie er glaubte, zum Besseren bekehrt worden war.«
    »Tja, nur dass er sich diesbezüglich vollständig irrte. Tupu sollte nämlich schon bald für neuen Ärger sorgen, wenn auch auf eine ganz andere Art.«

    Ein lautes, unangenehmes Hupen ertönte. Evelyn schrak wie aus einem Traum auf und ging zum Fenster. »Ane. Mein Gott, den Ausflug habe ich völlig vergessen.«
    Es hupte erneut, dreimal, viermal.
    »Ich muss los.« Sie schnappte ihre Handtasche und lief zur Küchentür. Dort wandte sie sich noch einmal um.
    Ili saß am Küchentisch und blickte gedankenverloren vor sich hin.
    »Eigentlich würde ich viel lieber hier bleiben«, seufzte Evelyn, »und Ihnen weiter zuhören. Ich komme mir ziemlich schäbig vor, Sie so plötzlich …«
    Es hupte, viermal, fünfmal, und Evelyn stampfte mit dem Fuß auf. »Ich bin nicht taub!«, schrie sie hinaus.
    Ili lachte. »Machen Sie sich bitte keine Gedanken, Evelyn. Gehen Sie. Sie sollten Savaii wirklich kennen lernen. Und außerdem hat Ane die Krokodilledertasche vermutlich schon fest eingeplant. Wir beide haben noch genug Zeit zum …«
    Es

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