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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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hupte.
    »… Plaudern«, ergänzte Ili.
    Evelyn und sie blinzelten sich freundlich zu, dann rannte Evelyn zur Tür hinaus.
    »Ja doch! Ich komme ja schon!«, hörte Ili sie rufen.
    Sie wartete noch, bis die beiden abgefahren waren, dann legte sie sich, müde geworden von der Arbeit des Vormittags und nachdenklich von den vielen Erinnerungen, schlafen.
     
    Noch am gleichen Mittag stellte sich heraus, dass die Krokodilledertasche, oder was immer Ane an Luxusartikeln vorschwebte, nicht der einzige Grund für ihre motorisierte Hilfsbereitschaft war. Der Gefallen, um den sie bat, brachte Evelyn in eine schwierige Lage.
    Sie waren zunächst die Südküste Savaiis entlanggefahren,
die Klippen und die weiten Ausblicke auf das Meer zur Linken und das Dickicht und die grünen, zerklüfteten Berge zur Rechten. Dörfer waren vorbeigezogen, deren viktorianisch anmutende Kirchen besser nach Neuengland gepasst hätten, und immer wieder stießen sie auf Palmenhaine und Gruppen von jungen Männern und Frauen, die diskutierend oder scherzend die Wege kreuzten. Während die Männer meist mit freiem Oberkörper, Muschelketten und wadenlangen Tüchern – von Ane als lavalava beschrieben  – herumliefen, kleideten sich die Frauen in leichte Stoffe und üppige Blumenketten. Mit jeder Meile verstärkten sich Evelyns positive Eindrücke von Samoa.
    »Kommen wir auch an der Pulemelei-Pyramide vorbei?«, fragte sie.
    »Nein, die liegt abseits der Straße in der anderen Richtung. Keine Sorge, Sie verpassen nichts. Das sind nur ein paar aufgeschichtete, moosbedeckte Steine.«
    Evelyn bedachte Ane mit einem etwas mitleidigen Blick. »Nüchtern betrachtet ist auch das Forum Romanum nur eine Ansammlung von Steinen. Erst mit Fantasie wird mehr daraus.«
    Ane zuckte nur mit ihren unbekleideten Schultern.
    »Wussten Sie«, fuhr Evelyn fort, »dass Tupu sich dort mit den Mau verbündet hatte?«
    »Wer?«
    »Ihr Urgroßvater. Tupu.«
    Ane schnitt eine Grimasse und überholte ein paar Radfahrer. »O je, hat Ili Sie mit den alten Geschichten voll gequatscht? Jetzt verstehe ich, weshalb Sie unbedingt zur Pyramide wollen: Sie fühlen sich verpflichtet, weil Ili Ihnen davon erzählt hat. Das ist ja wirklich – rührend.« Sie verdrehte die Augen. »Meine Devise lautet: Kümmere dich um nichts, vor dem ein ›Ur‹ steht: Ursprung, Ursache, Urgroßväter. Dabei kommt nichts raus, was einen weiterbringt.
Aber Ili ist voll davon, das kann ich Ihnen sagen. Voll bis obenhin. Ich werde Ihnen einige Tricks verraten, wie Sie ihrem Sprechdurchfall in Zukunft entkommen können.«
    »Das wird nicht nötig sein«, antwortete Evelyn schnippisch. »Ich mag Ilis Geschichten.«
    Nun war es Ane, die ihr einen leicht mitleidigen Blick zuwarf.
    Es verging eine unangenehme halbe Stunde, in der keine der beiden Frauen viel sprach. Ane beschränkte sich auf ein paar notwendige Beschreibungen, wenn sie an herrlichen Buchten oder atemberaubend schwarzen Sandstränden vorbeifuhren, und Evelyn hörte mit höflicher Unverbindlichkeit zu. Sie hatte nicht viel mit Ane gemeinsam, beinahe gar nichts, obwohl Evelyn nur sechzehn Jahre älter als Ane war. Weder die Schönheit der Insel interessierte Ane noch deren Geschichte. Sie lebte vermutlich nur für die Zukunft, für irgendeinen Plan von Leben, und die Gegenwart war nur das notwendige Übel auf dem Weg dorthin  – von der Vergangenheit ganz zu schweigen. Ane schien Vergangenes regelrecht ausblenden zu wollen.
    Manchmal, dachte Evelyn im Hinblick auf ihre eigene Situation, sind solche Menschen besser dran.
    Plötzlich verließ Ane die Straße und bog auf einen holprigen Seitenweg ein, der so schmal war, dass Evelyn mit ausgestreckter Hand das Grün der Bäume berühren konnte. Ein Flughund schwebte zwischen den Baumkronen hin und her, als wolle er den Wagen begleiten.
    »Wo sind wir?«, fragte Evelyn, als Ane stoppte.
    »Das wird Ihnen gefallen, so wie ich Sie einschätze. Gehen Sie ein paar Schritte in diese Richtung.«
    »Kommen Sie nicht mit?«
    »Für mich ist das nichts.«
    Evelyn ging in die Richtung, die Ane ihr beschrieben hatte. Ein gewundener, von Pflanzen halb überwucherter
Pfad führte eine Böschung hinauf. Der Wald um sie herum war fast still. Sogar die Vögel schwiegen. Irgendwo in den Wipfeln der Bäume, einem Stockwerk des Lebens, von dem die Menschen wenig wussten, knackten die Äste unter den Krallen des Flughunds.
    Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was auf sie zukommen würde. Möglicherweise schickte

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