Der Duft der grünen Papaya
darüber, dass er offenbar zwei Nonnen in seiner Begleitung hat. Man stelle sich das vor: ein Priester mit zwei Nonnen!«
Tristan runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, wo das Problem ist, Clara.«
»Nun, das ist doch offensichtlich«, erklärte sie. »Ein Priester, ein Mann , allein mit zwei Frauen im Busch, ohne dass man seinen Aufenthaltsort kennt. Das schickt sich nicht.«
»Ist das Ihre Meinung oder die von Frau Schultz?«, fragte Tristan ärgerlich.
»Nun ja«, zögerte Clara, »ich schließe mich der Meinung der Frau Gouverneur an, also ist es auch meine Meinung.«
»Wenn Sie sich weniger anschließen würden, sondern sich mehr eigene Gedanken machten, dann würde ich Ihnen vielleicht sogar zugestehen, eine eigene Meinung zu haben, so beleidigend und hirnverbrannt sie auch ist. Leider ist dem nicht so. Sie sind wie ein Beo, der pfeift, was andere vor ihm gepfiffen haben. Sie sind es – und die anderen Damen –, die sich unschicklich benehmen, indem Sie hässliche Verdächtigungen streuen, die auf nichts als Fantasien basieren. Und das nur, weil Sie nichts Besseres zu tun haben, weil Sie sich langweilen.«
Clara erbleichte. Sie wagte kein Wort mehr zu sagen, und für einen Augenblick knisterte die Luft vor Spannung. Dann räusperte sich der alte Hanssen und sagte: »Sprechen wir lieber von etwas Angenehmerem, von der Hochzeit. Wir sollten nun bald einen Termin festlegen.«
Tristan stellte sein Glas ab. »Heute nicht. Guten Abend.« Dann ließ er die Hanssens einfach stehen.
Er konnte die Festlegung auf einen Hochzeitstermin noch zwei weitere Wochen hinauszögern, denn er hoffte, dass Clara oder ihr Vater den Hochzeitsplan fallen lassen würden, wenn sie erlebten, wie kühl und abweisend Tristan sich verhielt. Doch sie rechneten wohl damit, dass sich seine Laune früher oder später bessern würde – kein Mensch konnte für immer mürrisch bleiben.
Ein Brief seiner Mutter nahm Tristan jeglichen Mut, von sich aus die Verlobung zu lösen. Sie schrieb so überschwänglich, so hoffnungsfroh, jede Zeile war voll gestopft mit mütterlicher Freude.
Dass ich diesen Tag noch erleben darf, an dem mein Jüngster, mein Einziger jetzt, eine Frau zum Altar führt, ein so vornehmes Mädchen noch dazu, ist das größte Glück, das Du mir bereiten konntest.
Und der Graf fügte am Ende des Briefes einige Zeilen hinzu, aus denen hervorging, dass er sich früher offenbar in Tristan getäuscht habe, dass dieser dem Namen Arnsberg alle Ehre mache.
Dein Bruder wäre so stolz auf Dich, wie ich es bin.
Alle diese Worte brachen Tristans letzten Widerstand. Er stimmte dem sechzehnten August als Hochzeitstag zu; drei und ein halber Monat noch, dann wäre er ein verheirateter Mann und Schwiegersohn des reichsten Kaufmanns der deutschen Südsee. Nach der Bekanntgabe dieses Termins konnte Tristan regelrecht spüren, wie sein Ansehen stieg. Die Kolonisten hatten ihn immer schon respektvoll behandelt, jetzt überschlugen sie sich in Freundlichkeit. Sie luden Clara und ihn zum Essen ein, sangen im Klub Loblieder auf ihn, ja, sogar Oberst Rassnitz wurde Tristan gegenüber umgänglicher. Tristan konnte es sich erlauben, Wochenbesprechungen mit dem Oberst grundlos
abzusagen. Auch Clara besuchte er so selten wie möglich. Diese letzten Monate auf Savaii wollte er für sich haben, für sich allein.
Abends wartete er, bis der Letzte seiner Männer gegangen war und die Dorfbewohner von Salelologa ihr heiteres Bad bei Sonnenuntergang beendet hatten. Dann zog er die Uniform aus und ging kaum bekleidet hinunter zum Strand, lief durch die Nacht, dorthin, wo das Sternenkreuz des Südens sich aus dem Blau erhob. Jetzt im Mai begann die Zeit des Windes. Der Passat spielte mit den Palmenfächern und verursachte ein pausenloses Rauschen wie das eines Sommerregens, und von Zeit zu Zeit brachen sich die Wellen mit dem Ton eines Trommelschlages und spülten über Tristans Füße. Er lief oft viele Stunden lang, ungestört, allein mit sich. Ab und zu hörte er von weither eine Flöte, oder das Licht in einem fale drang durch die Ritzen der Matten. Er wünschte sich dann, mit Tuila in einem solchen Haus zusammen zu sein, umgeben von den Geräuschen der Insel und des Ozeans, noch einmal ihren Körper zu spüren, ihre Augen glänzen zu sehen. Oft blieb er stehen und blickte aufs verhüllte Meer, als hoffe er, dort irgendeinen Trost zu finden. Diese von der Natur verzauberten Nächte versetzten ihn allerdings nur noch mehr in eine Stimmung
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