Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
Vom Netzwerk:
»Überhaupt nicht. Was Sie sagen, klingt für mich wie … Ja, im Grunde könnte ich selbst es gesagt haben.«
    Der Missionar lächelte. »Wirklich? Damit machen Sie mir eine große Freude. Ich glaubte schon, ich sei der Einzige, der so fühlt. Bei den anderen, mit denen ich gestern und heute gesprochen habe – Siedlern, Kontoristen, ja, selbst den Journalisten –, hatte ich den Eindruck, dass diese Leute – nun ja, wie soll ich sagen –, dass sie Samoa als Station betrachten, nicht als Land. Für sie ist es eine Sprosse auf der Karriereleiter, ein gutes Geschäft oder ein Dienst an der Heimat. Sie, Herr Leutnant, scheinen anders zu denken, obwohl Sie diese Uniform tragen.«
    »So ist es.«
    Der Missionar nickte ihm zu, als wolle er sagen: Gut, dass wir uns begegnet sind.
    »Geht es Ihrer Verlobten ähnlich?«, fragte er.
    »Wem?«
    »Fräulein Hanssen, die Dame gegenüber. Ich hörte, Sie seien mit ihr verlobt. Falls ich da etwas falsch verstanden habe, dann …«
    »Nein, nein«, korrigierte Tristan und drehte das Weinglas unruhig zwischen den Fingern. »Sie haben das völlig richtig verstanden, Hochwürden. Ich habe mich lediglich noch nicht an diese Bezeichnung gewöhnt, das ist alles.« Er atmete tief durch und fügte hinzu: »Nein, Fräulein Hanssen denkt und fühlt in diesem Punkt ganz anders als ich.«
    Die alten Augen des Priesters forschten in seinen, so wie es Tuila manchmal gemacht hatte. Vielleicht war es diese Erinnerung, die ihn dazu brachte, diesem alten Mann gegenüber, den er kaum kannte, ehrlicher zu sein, als das seine zurückhaltende Art und die Situation normalerweise erlaubt hätte.
    Er drehte das Weinglas noch schneller. »Raten Sie, Hochwürden, was Fräulein Hanssen an dem Leben in Samoa
schätzt, inmitten dieser natürlichen, üppigen Pracht. Nun, was glauben Sie? Man kommt kaum darauf, und ich werde Sie nicht länger auf die Folter spannen. Sie mag die kurz geschorenen Rasen in ihrem Vorgarten mit kleinen Inseln von Stiefmütterchen dazwischen, die weiß gestrichenen Gartenzäune sowie ebenso weiße Pavillons, in denen sie Kaffee aus Tassen trinkt, die das Konterfei Friedrichs des Großen zieren. Und sie mag Sonnenschirme, obwohl sie Mühe hat, mit ihnen umzugehen.«
    Er stürzte einen großen Schluck Wein die Kehle hinunter. »Und was denkt Fräulein Hanssen, meine Verlobte , über die Menschen dieses Landes? Sie hat, glaube ich, eine samoanische Wäscherin, der sie noch nie die Hand gegeben hat. Trotzdem trägt sie sicherheitshalber lange Handschuhe, für den Fall, dass die Wäscherin sie einmal berühren könnte. Sie hält die Einheimischen für gewalttätig und dumm. Ein Witz, wenn man sich das recht überlegt, dass die Tochter eines Mannes, der seinen Reichtum auf deutsche Bajonette gründet, die Samoaner für gewalttätig hält. Und noch lächerlicher, dass ausgerechnet Fräulein Hanssen jemand anderen für dumm halten kann, sie, die doch …«
    Ordinarius Löblich legte die Hand auf Tristans Arm und beendete damit seinen Redefluss. Tristans Finger zitterten leicht, als er das Glas in einem Zug leerte und sich, ohne auf den Diener zu warten, selbst nachschenkte. Glücklicherweise hatte niemand am Tisch etwas von der Szene bemerkt, denn man war mit dem Wetter, der Maschinenleistung der »Förde« und den Aussichten für die nächste Ernte vollauf beschäftigt.
    In diesem Augenblick drang aus dem Nachbarraum der neunmalige Ruf des Kuckucks heran.
    Der alte Geistliche lächelte Tristan an. »Vermutlich mag sie auch Kuckucksuhren, Ihre Verlobte?«

    Tristan entspannte sich bei der humorvollen Bemerkung des Geistlichen. Alle Aufregung fiel von ihm ab, und er fragte sich, wie er sich nur so hatte gehen lassen können.
    »Ja, tatsächlich«, sagte er und lächelte zurück. »Wie haben Sie das nur erraten?«
     
    Nach dem Essen nahm Tristan seine Verlobte zur Seite und bat sie um ein Gespräch unter vier Augen. Zuerst zierte sie sich, unter dem Vorwand, so etwas würde sich nicht schicken, aber Tristan wusste, dass sie in Wahrheit das fürchtete, was Tristan ihr in einem intimen Gespräch vorhalten könnte.
    Tatsächlich sparte er nicht mit Vorwürfen, als er sie mit sanfter Gewalt in einen Nebenraum geschoben hatte, wo sie unter sich waren.
    »Meinen Sie«, presste er zwischen den Zähnen hervor, »ich wüsste nicht, in welcher Weise Sie mich hintergangen haben?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Tristan.«
    Er lachte ein wenig verächtlich auf. »Hier sind wir ganz unter

Weitere Kostenlose Bücher