Der Duft der grünen Papaya
und unglücklich wie jetzt – nur eben mit einem Haus, das Sie vorher noch nicht hatten.«
»Was soll ich damit? Ich wohne doch in der Station.«
»Nun, dann ziehen Sie eben um.« Löblich lächelte. »Und nun entschuldigen Sie mich, mein Lieber. Ich muss die Schwestern aus den Klauen der Kinder befreien.«
Er klopfte den Sand von seinem Priestergewand und eilte davon. »Kommen Sie mich bald wieder besuchen!«, rief er.
Und Tristan, noch immer überrascht von dem kuriosen Vorschlag, winkte ihm zu.
Ein wenig enttäuscht war Tristan schon. Er hatte sich den eindeutigen Rat eines Geistlichen erhofft und war gleichsam von einem Orakel bedient worden. Ein Haus bauen! Wo er doch noch nicht einmal ein Grundstück besaß! Er schob den Gedanken beiseite. Wie üblich erledigte er seine dienstlichen Aufgaben, und nachts machte er Spaziergänge, die ihn stets an der Ostküste von Savaii entlangführten.
Eines Nachmittags, als er im Süden zu tun hatte, kam er an die Abzweigung zur Palauli Bay. Eine Weile starrte er auf den schmalen Weg, ohne sich entschließen zu können, ihn zu benutzen oder vorbeizureiten. Die Bucht war mit schönen und schmerzlichen Erinnerungen verbunden, und Tristan überlegte, ob er diese Erinnerungen nicht lieber vergessen wollte. Als ein paar munter plaudernde Mädchen von der Bucht heraufkamen, hörte er sie schon von weitem, und er versuchte, Tuilas Stimme herauszuhören, doch das war so vergeblich, wie einen einzigen Vogel aus dem allabendlichen Konzert des Tropenwaldes zu bestimmen. Die Frauen wurden ein wenig leiser, als sie ihn sahen, verhüllten jedoch weder ihre nackten, nur mit Blumengirlanden geschmückten Oberkörper, noch hörten sie auf, weiterzureden und zu lachen. Sie grüßten ihn freundlich, lächelten und gingen an seinem Pferd vorbei, und eine, die ihren Korb voll Blütenblätter hatte, streute eine Hand voll davon auf die Mähne seines Pferdes. Natürlich kannten sie Tristan, und er kannte sie, da sie aus Palauli waren. Er hätte sie nach Tuila fragen können, doch er fürchtete, dass ihn ihre Antwort, gleich welche, nur noch unglücklicher machen würde.
Sobald sie zwischen dem Grün verschwunden waren, saß er ab und ging den Weg, sein Pferd hinter sich führend, bis zur Palauli Bay entlang. Als er das Meer sah, verschwand die Sonne gerade hinter den Bergkuppen, und der Passat wehte in einem Strom von himmlischer Kühle in
die Bucht hinein. Ein Stück entfernt erkannte er drei menschliche Silhouetten: Zwei Jungen trugen einen freundschaftlichen Ringkampf aus, und ein Mädchen stand daneben und kicherte.
Tristan ließ sein Pferd grasen, zog die Stiefel aus und setzte sich nah ans Meer, so dass die Wellen seine Füße überspülten. Er legte sich zurück und schloss die Augen, lauschte nur auf die Geräusche und Düfte, so wie Tuila es ihm beigebracht hatte. Er hörte sie sprechen, meinte ihre Worte und Ratschläge zu hören, wenn sie ihm beibrachte, die kleinen Wunder wahrzunehmen, die ansonsten von den Problemen seines Alltags überlagert wurden: der warme Sand unter seinem Rücken, das Murmeln des Wassers und die unveränderliche, oboenhafte Melodie des Passatwindes, in die sich tausend Vogelstimmen mischten. Die langsam von Minute zu Minute zunehmende Stille. Der Geruch des Salzes. Angespülte Muscheln. Dunkelheit.
Er richtete sich wieder auf. Die drei Kinder waren mittlerweile zu seinem Pferd gegangen, streichelten es und gaben ihm Namen.
Tristan lächelte in sich hinein, und ohne zuvor daran gedacht zu haben, murmelte er plötzlich: »Hier.«
Hier musste er ein Haus bauen, das Haus, von dem der Ordinarius gesprochen hatte. An dieser Bucht hätte ein solches Projekt seinen Sinn, denn die Bucht von Palauli war der Ort, der für ihn die Erinnerung an das Beste in seinem Leben bewahrte, egal, was noch kommen, egal, wofür er sich entscheiden würde.
Die ganze Nacht hindurch schritt er bei fahlem Mondlicht das Gelände ab, stellte das Haus hierhin und dorthin, gab ihm Form und Gestalt, Größe und Schönheit, und als im Osten die Passatwolken erglühten und wie Heliographen den nahenden Tag ankündigten, stand sein Haus in Gedanken vor ihm.
Einmal von der Idee an »sein« Haus erfasst, konnte er nicht länger warten, es auch real vor sich zu sehen. Schon am nächsten Morgen sprach er mit dem ali’i von Palauli, dem Dorfersten. Er setzte ihm sein Vorhaben auseinander, bekräftigte, nicht die Bucht an sich kaufen zu wollen, sondern nur einen kleinen Teil der
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