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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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quälender Aufgewühltheit. Er war unglücklich, unzufrieden mit sich, mit allem.
    Als Tristan berichtet wurde, dass in Pataivai, einem Dorf im Süden, der Ordinarius Löblich eine Missionsschule baute, interessierte ihn das zunächst kaum. Er schickte eine Meldung darüber zu Rassnitz und dem Gouverneur, damit sie informiert waren, dass es dem Alten offenbar gut ging. Danach wollte er nicht mehr daran denken. Es verging jedoch von da an kein Tag mehr, an dem er sich nicht an das Gespräch mit Löblich erinnerte. Obwohl Tristan ihn kaum kannte, mochte er dessen Offenheit
und die Liebe zum Land, die unter den Kolonisten selten war. Trotzdem stand er dem Missionar nach wie vor skeptisch gegenüber; zu viele Pastoren, Reverends und Priester waren mit besten Absichten hergekommen und hatten doch nur Unheil angerichtet. Von Misstrauen und Neugier, aber auch ein wenig von der Hoffnung getrieben, dass der Alte ihn ablenken oder sogar ein wenig trösten könnte, machte Tristan sich schließlich auf den Weg nach Pataivai.
    Er kam an eine verträumte kleine Bucht mit einer Zwergschule, die sich wie ein Nest zwischen die Kokospalmen schmiegte. Zwei fale , die offenbar zuvor schon dort nebeneinander gestanden hatten, waren von Löblich und einigen Helfern mit einem Mittelbau verbunden worden, alles in allem kaum fünfzehn Schritt lang und vier Schritt breit. Ordinarius Löblich saß auf dem Boden, umringt von vier kleinen Kindern, und schnitt aus Papier Blumen und Kränze aus. Als Löblich ihn sah, stand er sofort auf und ging ihm mit ausgestrecktem Arm entgegen.
    »Wie schön, dass Sie kommen«, rief er strahlend. »Ich wollte Ihnen schon einen Höflichkeitsbesuch abstatten, aber die Kinder lassen mich nicht weg. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie allein zu lassen.«
    Tristan verschwieg, dass der Ordinarius zur Errichtung einer Mission eigentlich erst eine Genehmigung von ihm hätte einholen müssen. Doch Löblich erzählte derart enthusiastisch von seiner Arbeit, dass Tristan ihn mit solchem Behördenkram nicht bremsen wollte. Er würde das stillschweigend für den Missionar erledigen.
    Ein paar Meter entfernt ließen sich die zwei Nonnen von einer Gruppe Knaben und Mädchen samoanische Lieder beibringen. Die eine Nonne war jung und pausbäckig wie eine Metzgerstochter, aber sie schien einen Riesenspaß beim Singen zu haben, und die andere, wesentlich ältere
und dünnere Nonne, hielt an jeder Hand ein Kind und tänzelte ebenso fröhlich wie unbeholfen zum Takt der fremden Musik.
    »Das sind Schwester Bertha und Schwester Dorothea, die mir von der Diözese als Helferinnen mitgegeben wurden«, erklärte Löblich. »Wir haben viel Spaß zusammen.«
    Tristan dachte daran, was Menschen wie Clara und Frau Schultz aus einem solch offenherzigen Satz machen würden. Ihn dagegen steckte die Heiterkeit der Schule sofort an, und der Geistliche bemerkte das.
    »Kommen Sie«, sagte er, »ich zeige Ihnen alles.«
    Zur Landseite hin war das fale umrahmt von Sträuchern der Riesentulpe, und an einer Flanke ergoss eine ungeheure Bougainvillea ihre seidigen, bischofsfarbenen Kaskaden über die Brüstung der Veranda. Zur Seeseite war das Haus vollständig offen.
    »Ja aber«, staunte Tristan, »wo schlafen Sie denn, Hochwürden?«
    »Nun, wo wohl? Dort, im fale , auf weichen Matten. Sie glauben ja nicht, wie wunderbar das ist, mit dem Meer aufzuwachen und sich mit ihm schlafen zu legen. Die Schwestern haben dort drüben, hinter den Bäumen, ein kleines Haus von den Dorfbewohnern gebaut bekommen. Wir unterrichten meistens draußen, irgendwo im Schatten, wo es gemütlich ist. Sie bringen uns ihre Lieder bei und wir ihnen unsere. Genauso machen wir es mit den Geschichten.«
    »Geschichten?«
    »Tja, das war so eine Idee von mir. Die Schwestern nennen es eine Eingebung, was gewiss übertrieben ist. Ich fand es besser, diesen Kindern keinen Schulstoff einzupauken, sie verstehen viel schneller und mit mehr Freude, wenn man ihnen Geschichten erzählt. Das gilt übrigens auch für die Erwachsenen. In der Kultur der Polynesier spielen Geschichten
eine große Rolle und … Ach, wem erzähle ich das, Sie wissen es ja so gut wie ich.«
    Tristans Bewunderung wuchs mit jedem Satz des Missionars. Wohnen im fale , Unterricht am Strand, Lieder und Geschichten. Andere Missionare wohnten, schliefen und unterrichteten in geschlossenen Räumen, und sie scherten sich keinen Deut um die samoanische Kultur. Der alte Löblich war anders, voller innerer

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