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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Heiterkeit, so dass er hervorragend zu den Insulanern passte. Was er hier aufbaute und für die Menschen tat, würde sich schon bald auf der ganzen Insel herumsprechen, auch auf Upolu, und Tristan sah voraus, dass der Missionar binnen zwei, drei Jahren von den Samoanern verdientermaßen hochverehrt würde.
    »Ich schäme mich ein bisschen«, räumte Tristan ein. »Ich habe Sie anfangs falsch eingeschätzt.«
    Der Ordinarius lachte und nahm Tristan beherzt in den Arm. »Mein Lieber, ich bitte Sie. Wer will Ihnen das verdenken? Sie haben es schwer unter den vielen Kolonisten, die nicht verstehen, was wir an diesen Inseln lieben. Ich habe es besser, ich kann mich hier von allen Ignoranten abschotten, von den Kaufleuten mit den Knebelverträgen, den Siedlern mit den Gewehren, aber Sie, Leutnant – Sie haben ja geradezu die Pflicht, Umgang mit ihnen zu pflegen. Und nach Ihrer Heirat wird es nicht leichter für Sie werden, im Gegenteil, man wird Sie noch viel häufiger mit Beschlag belegen. Doch Sie haben ein vornehmes, geduldiges Gemüt, Sie werden schon das rechte Maß finden, und die Liebe Ihrer Frau wird Ihnen dabei helfen.«
    »Die Liebe meiner Frau«, flüsterte Tristan. »O ja.«
    Ordinarius Löblich setzte sich auf eine vertrocknete Palmenwurzel, die der letzte Sturm ausgerissen hatte. »Die Liebe der Samoaner zu Geschichten hat auch eine weniger schöne Seite, Sie wissen, was ich meine?«

    Tristan nickte. »Sie schwatzen viel, auch über andere.«
    »Ja, und sie haben auch über Sie geschwatzt, mein lieber Leutnant. Ich konnte nicht verhindern, davon zu hören. Natürlich nehme ich Gerüchte normalerweise nicht ernst, das habe ich schon in meiner Heimat nicht getan. Aber verbunden mit dem, was Sie mir während des Essens in der Residenz erzählt haben über Ihre Verlobte … Sie lieben eine andere Frau, nicht wahr?«
    Tristan setzte sich vor den Ordinarius in den Sand. Er hätte alles abstreiten können, und die Sache wäre erledigt gewesen. Doch er war erschöpft, und er brauchte jemanden, mit dem er über alles reden konnte. Diesem alten Mann konnte er trauen, er würde ihn verstehen, denn er verstand und liebte die Samoaner und ihr Land.
    Tristan erzählte Löblich die ganze Geschichte von Tuila und ihm, oder doch wenigstens den größten Teil davon, und der Geistliche hörte aufmerksam zu. Im Grunde war es wie eine Beichte, nur die Reue fehlte. Tristan bereute nichts. Er sagte, dass er keinen Augenblick mit Tuila missen wollte, und dass er – könnte er die Zeit zurückdrehen – noch einmal alles genauso machen würde, selbst wenn er wüsste, dass es wieder so käme, wie es jetzt war.
    Danach schwiegen die beiden Männer eine Weile. Der Missionar stand auf, ging ein Stück spazieren und kam wieder zu Tristan zurück, der noch immer im Sand saß.
    »Was meine Kirche darüber denkt, muss ich wohl nicht erläutern«, sagte Löblich. »Aus der Sicht meiner Kirche sind auch heidnische Gesänge ein Unding, aber sehen Sie nur, wie die Kinder dort drüben sich freuen, wenn sie diese Lieder singen. Freude, sofern sie aus tiefstem Herzen kommt und andere einschließt, kann niemals schlecht sein.«
    Er seufzte. »Aber ich vermute, mein lieber Leutnant, dass es Ihnen weniger darum ging, Sünden erlassen zu bekommen, als eher einen Rat zu erhalten. Habe ich Recht?«

    Tristan nickte.
    »So rate ich Ihnen, ein Haus zu bauen.«
    Das war ein reichlich merkwürdiger Rat, und Tristans Gesicht war die Verwunderung so deutlich anzusehen, dass Löblich lachte. »Jetzt glauben Sie wohl, dass jene Leute Recht haben, die mich insgeheim für verrückt halten, wie? Keine Sorge, ich bin noch recht gut beieinander, glaube ich.«
    »Aber ein Haus bauen, Hochwürden, wozu soll das gut sein?«
    »Sie werden sehen, wie sich Ihre Gedanken klären, wenn Sie erst einmal mit dem Bau beschäftigt sind. So ist es mir schon dreimal ergangen. Als ich mir als junger Mann im Taunus ein Haus baute, begriff ich plötzlich, dass das nicht meine Bestimmung war – und trat in den Orden ein. Als ich letztes Jahr in meiner Gemeinde eine neue Kirche errichten ließ, begriff ich, dass dies nicht länger der Ort bleiben dürfe, an dem ich wirke. Und als ich in den letzten Wochen dieses fale dort drüben baute, begriff ich, dass ich eines Tages hier sterben werde, wann immer das sein wird.«
    »Aber«, wandte Tristan ein, »wer weiß, ob Ihre Methode auch bei mir wirkt.«
    »Das weiß man natürlich nicht. Im schlimmsten Fall sind Sie genauso verwirrt

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