Der Duft der Mondblume
kennenzulernen. Kiann’e hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
»Ach, hat sie? Sie übertreibt. Und Sie, wo kommen Sie her, Miss Catherine? Sind Sie eine Malahini?«
»Neu hier auf der Insel? Ja, genau«, lächelte sie und freute sich, dass ihr der Ausdruck bereits vertraut war. »Ich komme aus Australien, New South Wales. Aus der Nähe eines Städtchens namens Peel.«
»Australien! Da war ich mal mit Duke. Du meine Güte, diese Down-Under-Burschen hatten das Surfen richtig im Blut«, gluckste er. »Und als Captain Cook nach der Entdeckung Australiens hierhergekommen ist, hat er als Erster über das Surfen geschrieben.«
»Wie bitte?«, staunte Catherine. »So alt ist das schon?«
»O ja, uralt. Die hawaiianischen Könige waren die ersten Surfer. Angehörige des Königshauses und Stammesälteste ritten auf Holzplanken über die Wellen. Um vor den Dorfbewohnern anzugeben.«
»Was das Surfen angeht, ist Lester ein wandelndes Lexikon«, erklärte Kiann’e. »Wie geht’s dir heute Morgen? Lust auf einen Kaffee?«
»Macht euch einen, Mädchen. Ich hatte meine Ration schon. Aber wenn du mir wieder so ein Gebräu zusammenrühren könntest, Kiann’e?«
»Ich mach ihm im Mixer einen Milchshake mit viel Obst und Vitaminen«, sagte Kiann’e zu Catherine. »Und ihr zwei setzt euch hin und unterhaltet euch.«
»Was hat Sie auf die Inseln verschlagen, junge Frau? Nehmen Sie sich doch einen Stuhl.«
Catherine setzte sich gegenüber von Lester auf einen Rohrstuhl. »Ich habe vor kurzem einen Amerikaner geheiratet, der hier bei der Marine ist.«
»Oha. Und was fangen Sie mit sich an, wenn er auf hoher See ist?«
»Er ist an Land stationiert, in der Verwaltung des Stützpunkts. Ich bin also nicht allein.«
»In Miss Kiann’e haben Sie eine gute Freundin. Hat sie Sie schon herumgeführt? Waren Sie schon auf Kauai? Eine wunderschöne Insel.«
»Ja, ich habe die Flitterwochen dort verbracht. Im Palm Grove.«
Das Gesicht des alten Mannes leuchtete auf. »Ah, ein magischer Ort. Eleanor und Ed hatten einen Traum, und Eleanor hat ihn verwirklicht. Sie arbeitet hart und ist eine strenge Chefin, aber zum Donnerwetter, so einen Platz findet man nur einmal unter einer Million!«
»Eine beeindruckende Frau. Ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen«, nickte Catherine.
»Und ein Herz so groß wie Hawaii. Sie war sehr gut zu mir«, sagte Lester. »Die Wohnung hier gehört ihr, wissen Sie. War mal ihre und Eds, und jetzt lässt sie mich hier wohnen. Dabei bin ich nicht der Einzige, dem sie hilft. Sie spricht nicht darüber, aber ich weiß, dass sie auch Abel John unter die Arme gegriffen hat. Hat dafür gesorgt, dass er eine Ausbildung macht.«
Kiann’e reichte Lester den Milchshake. »Es wundert mich nicht, dass Eleanor dich unterstützt. Immerhin bist du jemand.«
»Ach, ich bin doch nur ein alter Kamaaina.«
Kiann’e drohte ihm mit dem Finger. »Du bist viel mehr als nur ein alter Hase hier auf den Inseln, und das weißt du auch. Man nennt ihn hawaiianisches Schatzkästchen«, sagte sie zu Catherine.
»Haben Sie schon immer hier gelebt?«, erkundigte sich Catherine, während Kiann’e Kaffee für sie kochte.
»Nein. Es muss 1918 gewesen sein, unsere Jungs haben in Frankreich gekämpft. Ich war damals ein junger Mann, in Nebraska war Winter, und ich hab mich in einem kleinen Kino aufgewärmt und dort die Wochenschau gesehen. Und da haben sie Duke gezeigt, wie er vor Waikiki auf einem Brett stand und mit überkreuzten Armen und scheinbar ohne sich zu bewegen eine Welle abritt, im Hintergrund Sand und Palmen. Da sagte ich mir, da muss ich hin.«
»Sie sind nie wieder zurückgekehrt?«
»Doch, hin und wieder. Nach dem Tod meines Vaters – meine Mutter ist schon gestorben, als ich noch ein Baby war – und ein paar Mal, um Geld zusammenzukratzen.« Er hielt inne. »Ein-, zweimal bin ich auch in die Wüste gegangen, nach Arizona. Wenn ich über was nachdenken musste. Allein draußen in der freien Natur auf einem Berg zu sitzen hilft mir beim Denken. Ich nehme an, es ist die Luft … so klar und rein, dazu dieses helle Licht, nichts dazwischen, was stört, wenn man sich mit Gott unterhält.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Catherine. »Es gibt einen kleinen Berg, eher eine Anhöhe, hinter der Farm meiner Eltern. Dort bin ich immer gern hingeritten und hab mich hingesetzt und hinunter auf die weite leere Landschaft geschaut. Es war so schön, so friedlich. Und ein prima Platz zum Nachdenken.«
Lester
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