Der Duft der Mondblume
schlägt aus seiner Herkunft Kapital. Wie moralisch einwandfrei ist denn das?«
»Es ist nichts Unrechtes daran, Besuchern zu zeigen, dass es hier einst eine alte Kultur gab, deren Sitten und Gebräuche kaum noch jemand kennt. Ich geh wieder ins Wasser.« Wütend und frustriert stapfte Catherine über den Sand. Sie fühlte sich abgekanzelt wie ein Schulmädchen. Wahrscheinlich würde sie bei einer Diskussion mit Bradley immer den Kürzeren ziehen. Er war so ruhig, so rational und irgendwie herablassend, was sie zur Weißglut trieb. Immer fiel ihr erst im Nachhinein, wenn sie sich abgeregt hatte, das schlagende Argument ein.
Spontan entschied sie, dass sie am Samstagvormittag mit Kiann’e zu der Demonstration gehen würde. Bradley würde sie irgendeine Ausrede auftischen – er würde nie erfahren, wo sie gewesen war. Doch nach diesem Streit hatte sie das Gefühl, es sei wirklich wichtig, dass sie teilnahm. Wobei sie gern noch besser informiert gewesen wäre und genug Mut aufgebracht hätte, in der ersten Reihe mitzumarschieren. Catherine hatte sich noch nie an einer Protestaktion beteiligt; bisher hatte sie das nicht für nötig gehalten. Doch die Gespräche mit Kiann’e, ihrer Familie und ihren Freunden hier auf Hawaii hatten sie aufgerüttelt.
Ihr war klargeworden, dass sie nur sehr wenig über die Kultur der Aborigines wusste und kaum damit in Kontakt gekommen war, obwohl sie im australischen Busch gelebt hatte. Zwar wohnten Aborigines in Peel und dem Umland, aber sie blieben für sich. Schuldbewusst überlegte sie, dass sie sich viel mehr für die alte hawaiianische Kultur interessierte als früher je für die der australischen Ureinwohner. Allerdings war sie mit ihrer Unkenntnis über die Geschichte, Tradition und Kultur der Aborigines beileibe kein Einzelfall.
Vage erinnerte sie sich an Korrobori-Tänze, Männer, die aus Baumstämmen Kanus schnitzten, hervorragende Viehzüchter im Outback, kleine dunkelhäutige Kinder mit riesigen schwarzen Augen, die Namen einiger Fußballer und eines Popsängers, die Aborigines waren, aber auch an Schattenseiten wie baufällige Baracken in heruntergekommenen Siedlungen und Alkoholprobleme. Hatte Kiann’e so etwas gemeint, als sie davon sprach, dass Menschen von außerhalb nur einen oberflächlichen stereotypen Eindruck von der hawaiianischen Kultur bekamen?
Als Catherine schließlich aus dem Wasser kam und zu Bradley ging, der ihr lächelnd ein Handtuch reichte, hatte sie einen Entschluss gefasst. Da hier ihre neue Heimat war und ihre Zukunft fürs Erste in diesem Land lag, würde sie sich nicht auf die Rolle einer Zuschauerin beschränken, sondern so viel wie möglich darüber lernen.
Bradley schaute sich in einer Nachbarwohnung zusammen mit ein paar Kollegen ein Fußballspiel an, als Catherine aus dem Haus ging und zu Kiann’e und Willi fuhr, wo es ein leichtes Abendessen und ein paar Drinks bei Sonnenuntergang geben sollte. Die beiden wohnten in einem bezaubernden Haus in einem Stil, den Catherine »alte Hawaii-Architektur« nannte – viel weiße Holzverkleidung mit Schnitzwerk am Dachgesims und eine Veranda aus Lavasteinplatten. Willis Geschäfte laufen wohl ziemlich gut, dachte sie, wenn sie sich ein so hinreißendes Haus leisten können. Die dunkelroten Dachziegel bildeten einen malerischen Kontrast zu den dichten Sträuchern und Palmen im Licht der flackernden Fackeln vor dem Haus und hinten auf dem Rasen. Durch die großzügigen Balkontüren konnte man drinnen die Gäste hin und her gehen sehen.
Entzückt entdeckte Catherine weiter hinten Eleanor, und Abel John küsste sie mit einem herzlichen »Aloha« auf die Wange. Tante Lani und Onkel Henry waren mit ihrer Familie ebenfalls hier. Von den vielen anderen Leuten kannte sie nur noch Taki Kitamura.
Der Fotograf begrüßte Catherine mit breitem Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung. »Haben Sie schon viele Fotos gemacht?«, fragte er.
»Ein paar. Aber ich möchte gern lernen, wie man die Kamera richtig handhabt, und nicht nur auf Automatik stellen und das Beste hoffen«, erwiderte sie.
»Sobald Sie den Kniff raushaben, werden Sie die Herausforderung genießen«, versprach er ihr. »Vielleicht wollen Sie dann sogar lernen, Ihre Bilder selbst zu entwickeln?«
»Bisher habe ich davon keine Ahnung.«
Ein Mann trat zu ihnen und schüttelte Mr.Kitamura die Hand. »Schön, dich hier zu sehen, Taki. Ist das eine deiner Studentinnen?«
Catherine streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Catherine
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